Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Startseite Heidelberg Alumni International Adresse und TelefonSucheÜberblick













    [Startseite] -> [Service] -> [Alumni Revue] -> [Inhalt September 2001] -> [Titel]
    
    
   ALUMNI REVUE - SEPTEMBER 2001
       

    
    
 

Titel


Annäherung

Wissenschaft und Wirtschaft im Dialog

Ob Forschung, Technologietransfer oder Zuwendungen von Stiftern - Beziehungen zwischen Universität, Wirtschaft und (einfluss-)reichen Privatpersonen sind nichts Neues. Ein für jedermann sichtbares Beispiel ist das Hörsaalgebäude Neue Universität, das vor knapp 70 Jahren durch eine Spendensammlung Jacob Gould Schurmanns, Alumnus der Universität Heidelberg und später amerikanischer Botschafter, errichtet werden konnte. In jüngster Zeit wird jedoch in Deutschland ein wissenschaftspolitisches Thema zunehmend diskutiert: der Dialog zwischen der aus öffentlichen Mitteln finanzierten Wissenschaft, der Politik und der Wirtschaft, im Dreiklang "Public Private Partnership" genannt. Im Mittelpunkt dieser öffentlich-privaten Partnerschaft soll eine neue Form des Miteinanders stehen, in der Universitäten und Unternehmen ihre jeweilige Identität bewahren, zugleich aber auch in symbiotischer Beziehung Vorteile gewinnen können - neudeutsch als "win-win-Prinzip" bezeichnet.

Warum ist Public Private Partnership gerade jetzt so aktuell? Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, eine Gemeinschaftsaktion der Wirtschaft für die Wissenschaft, hat dafür zwei gewichtige Gründe ausgemacht, die der Vorstandsvorsitzende Dr. Arend Oetker so formuliert: "Die Grenzen zwischen der öffentlich finanzierten Grundlagenforschung und der zu einem großen Teil von den Unternehmen geleisteten Anwendungsforschung verschwimmen; Wissen steht immer häufiger im Kontext der Anwendung, und das nicht nur im Bereich der Natur- und Ingenieurwissenschaften, sondern auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Veränderungen im wissenschaftlichen Prozess selbst führen also zu einer größeren Annäherung und Interdependenz des privaten und des öffentlichen Sektors". Finanzielle Aspekte sind der zweite Grund für die nach Oetker notwendig gewordene Annäherung von Universitäten und Unternehmen: "Denn weder kann die Wirtschaft alles Wissen im eigenen Hause produzieren, noch werden die im wesentlichen öffentlich finanzierten Wissenschaftseinrichtungen, allen voran die Hochschulen, ohne eine Mobilisierung privaten Kapitals, aber auch unternehmerischen Know-Hows, auskommen".

Heidelberger Dialog

In Heidelberg hat der Dialog zwischen Wissenschaft und Wirtschaft Tradition. Dies belegen verschiedene Gesprächskreise wie "Wissenschaft und Wirtschaft Rhein-Neckar" und der "Heidelberger Abend", der auf Initiative der Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar einmal im Jahr rund 500 Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Politik zu einem informellen Austausch zusammenführt. In seiner jüngsten Rede vor diesem Kreis stellte Rektor Jürgen Siebke fest: "Das Gespräch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ist fester Bestandteil im gesellschaftlichen Leben der Stadt". Dennoch gebe es nach wie vor konkreten Handlungsbedarf für zukünftige partnerschaftliche Kooperationen. So plädierte Siebke dafür, allseits noch mehr Engagement zu entwickeln - nicht ohne jedoch auch die unterschiedlichen Standpunkte aufzuzeigen. "Aus Sicht der Wirtschaft geht es darum, eine Universität zu gestalten, die dazu beiträgt, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft im Zeichen der Globalisierung zu sichern". Dagegen stellte er die Sicht der Universität: "Auch bei Anerkennung eines wirtschaftsorientierten Bildungsauftrags geht es der Universität darum, eine Stätte zu bleiben, in der auf dem Wege des theoretischen Denkens die Wahrheit erforscht wird und so neue Erkenntnisse gewonnen werden - und nicht praktisch anwendbarer Nutzen". Die Hochschulen dürften nicht vergessen, dass die Kulturwissenschaften ihre tragenden Säulen seien, darin bestünde ihre geschichtliche und kulturelle Identität. Aus dieser Tradition heraus ließe sich ein Technologietransfer verantwortungsvoll begleiten.

Angesichts vieler positiver Beispiele für eine bereits funktionierende Kooperation zwischen beiden Partnern bleibt es reizvoll zu beobachten, wie die Universität Heidelberg ihr Engagement für Fragestellungen der Wirtschaft ausweiten könnte. Genauer gesagt geht es um das Engagement der einzelnen Fächer, denn der Dialog ist bereits effizient in solchen Disziplinen, wo Verbindungen zur Wirtschaft nahe liegen, so zum Beispiel in den Fächern Chemie, Biologie und Medizin. Nachholbedarf sieht der Rektor jedoch noch bei den Geisteswissenschaften. "Die Geisteswissenschaften sind wesentlich mit geprägt durch 'kleine' Disziplinen, klein jedoch nur gemessen an der Zahl der Professuren". So sind Disziplinen wie Assyriologie, Archäologie oder Klassische Philologie keine Fachgebiete, die auf den ersten Blick einen Zusammenhang zur Wirtschaft erkennen ließen. Hier müssten, nach Ansicht Siebkes, die Unternehmen mehr tun, in dem sie beispielsweise Praktika auch für die Studierenden solcher Fächer bereitstellten.

Heidelberger Potenzial

Das Potenzial des Wissenschaftsstandortes Heidelberg mit seinen vielen Großforschungseinrichtungen einerseits und der hohen Dichte an potenten Wirtschaftsunternehmen andererseits bietet grundsätzlich hervorragende Voraussetzungen für innovative Kooperationsformen. Dies bestätigt ein im April 2001 erschienenes Ranking im Wirtschaftsmagazin "Capital", das den Wirtschaftsstandort Heidelberg im Bundesvergleich auf Platz vier setzt. Als ein wichtiger Faktor wird dabei die Forschungsintensität angeführt. Wissenschaft, Forschung und Entwicklung seien das wichtigste Verbundprodukt im Rhein-Neckar-Dreieck.

In der Tat: Heidelbergs universitäre und außeruniversitäre Wissenschaftseinrichtungen beteiligen sich an vielen Entwicklungen in Feldern, die im 21. Jahrhundert eine Schlüsselrolle spielen können. Dazu zählen die life sciences, und hier insbesondere Krebsforschung, Neurowissenschaften, Molekularbiologie und Medizin. Die Kontakte der Alma Mater zu den Unternehmen der Region geben dabei der universitären Forschung zusätzliche Impulse, sie sind andererseits für die Firmen eine Garantie für die Übernahme neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse bei der Produktentwicklung - und helfen nicht zuletzt bei der Rekrutierung ihres eigenen Personalnachwuchses. Synergien ergeben sich aus der Kooperation von Universität und den ihr traditionell verbundenen Forschungseinrichtungen wie das Deutsche Krebsforschungszentrum, die fünf Heidelberger Max-Planck-Institute und das Europäische Molekularbiologie-Laboratorium (EMBL).

Ein neuartiges Heidelberger Kooperationsmodell ist das "Joint Venture" des Heidelberger Universitätsklinikums mit der Cytonet-Gruppe, einem Unternehmen der pharmazeutischen Industrie, das als "Cytonet Heidelberg GmbH" firmiert. Wie in einer gut funktionierenden Ehe profitieren hier beide Partner. Cytonet bietet langjährige Erfahrung in der industriellen pharmazeutischen Produktion und Vermarktung sowie ausreichende Finanzmittel für Forschung und Entwicklung, die der Universität zugute kommen. Die Universität wiederum bringt in diesem Fall über die Grundlagenforschung hinaus ihre produktorientierten Forschungsergebnisse sowie die Wissenschaftler mit ihrem innovativen Potenzial ein. Sind die Produkte dann erfolgreich, werden beide Partner am Gewinn beteiligt.

Heidelberger Brücken

Dialog und Potenzial bleiben sterile Schlagworte, wenn nicht gerade auch für die Studierenden der Universität Brücken aus dem Hörsaal heraus in ihre zukünftige Arbeitswelt gebaut werden. Neben den langjährigen Aktivitäten von AIESEC, einer weltweiten Organisation, die Praktika für Wirtschaftswissenschaftler vermittelt, und dem Deutschen Famulantenaustausch für Mediziner zählen die Gründer der Initiative "Magister in den Beruf (MiB)" zu den ersten und im Gründungsjahr 1992 noch unkonventionellen Architekten solcher Modelle. Damals angesiedelt in den Räumlichkeiten des Romanischen Seminars, begannen sie mit der Vermittlung von Praktikumsplätzen für Studierende der Geistes- und Sozialwissenschaften als einem Versuch, die Verbesserung der Berufsaussichten von Magisterabsolventen von der Universität aus in die Hand zu nehmen. Die jüngste Initiative der Universität sieht die Gründung eines sogenannten "Career Center" vor (siehe auch Seite 8). Sie folgt damit den Beispielen insbesondere der technischen Universitäten, aber auch dem erfolgreichen Modell der nahe gelegenen Universität Mannheim mit ihrem betont wirtschaftswissenschaftlichen Profil. Berührungsängste gibt es zwischen den Nachbaruniversitäten auch in diesem Bereich nicht: Dies beweist die gemeinsam betriebene Akademie für Weiterbildung der Universitäten Heidelberg und Mannheim mit ihrem vielfältigen Angebot an berufsspezifischen Kursen (siehe Revue, Dezember 1999). Die Kurse richten sich dabei nicht nur an Studierende, sondern auch an bereits berufstätige Absolventen der Universitäten.

Seit drei Jahren existiert an der Universität Heidelberg bereits ein professionell begleiteter Transfer von Wissen in die Wirtschaft. Die zum Forschungsdezernat gehörende Schnittstelle für die Koordination von Kontakten zwischen Wissenschaftlern in der Universität und externen Unternehmen versucht erfolgreich, das Wissen, das in der Universität geschaffen wird, gewinnbringend zu vermarkten. Die Produktpalette des Heidelberger Technologietransfers reicht dabei von der Grundlagenforschung bis zur Software oder zum Antikörper (siehe Revue, September 2000).

Außenkontakte pflegen auch die drei Aquisitionszentren der Universität, die bei den Geowissenschaften, den Biowissenschaften und beim Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen angesiedelt sind. Die Zentren übernehmen die Marketing-Aufgaben für die Produkte, die an ihren jeweiligen Instituten entstehen. Sie knüpfen Kontakte zur Industrie, die an den Ergebnissen anwendungsbezogener Forschung in Form von Lizenzen und Vertrieb interessiert ist. Damit verbindet sich die Erwartung der Universität, in Kooperation mit Wirtschaftsunternehmen bei der Entwicklung marktfähiger Produkte und Verfahren zusätzliche Einnahmequellen für die Finanzierung weiterer Forschungsvorhaben zu erzielen.

Strukturell neue Wege beschreitet die Alma mater auch durch die Entwicklung neuer Studiengänge und Abschlüsse, um damit den Bedürfnissen der Wirtschaft entgegen zu kommen. Bei aller Euphorie, die von den Bildungspolitikern im Zusammenhang mit der Einführung von konsekutiven Studiengängen nach angelsächsischem Muster mit einem Bachelor- oder Master-Abschluss geäußert wird, gibt sich hier die Universität Heidelberg noch zurückhaltend. Zwar erkennt die Universität durchaus an, dass ein schnellerer Eintritt der Studierenden in den Arbeitsmarkt für alle Akteure von Vorteil sei, gleichzeitig gab Rektor Siebke aber in Anspielung auf eine Umfrage der Deutschen Wirtschaft zu bedenken, dass sich die meisten Unternehmen bei der Bewertung eines Hochschulabschlusses, der vom bekannten Niveau des Diploms oder des Magisters abweicht, bei der Einstellung junger Absolventen zurückhielten. Mit Blick auf die Berufsaussichten sei dies gerade auch im Interesse der Studierenden, die diesen neuen Weg zu gehen beabsichtigen, Grund genug für einen verstärkten Dialog zwischen der Universität und der Wirtschaft, um Fehlentwicklungen bei der Konzeption von neuen Studiengängen schon im Vorfeld zu vermeiden.

Heidelberger Pfunde

Nicht im Staatshaushaltsplan der für die Hochschulen zuständigen Länderfinanzminister budgetierte Gelder werden an den Universitäten als Drittmittel bezeichnet. Der Anteil der Drittmittel bei der Finanzierung von Lehre und Forschung der Universität Heidelberg ist mit mittlerweile 68 Millionen Mark (Haushaltsjahr 2000) beträchtlich. Er wird gerne bei Hochschulrankings ins Rennen geschickt, zeigt er doch, wie erfolgreich die eigenen Hochschulmitglieder bei Projektausschreibungen auf nationaler und internationaler Ebene an den Steuereinnahmen anderer Bundesministerien oder der EU partizipieren. Der Finanzierungsbedarf der Universitäten ist heute jedoch so hoch, dass eine internationale Wettbewerbsfähigkeit - allein aus öffentlichen Mitteln finanziert - fraglich geworden ist. Umso mehr sind die Universitäten darauf angewiesen und bemüht, die Wirtschaft und auch Mäzene finanziell mit ins Boot zu nehmen, wobei man sich durchaus bewusst ist, dass mit einer "Fremdfinanzierung" der Lehre und insbesondere der Grundlagenforschung auch die Gefahr einer Abhängigkeit vom Geldgeber in die Rechnung mit einbezogen werden muss. Noch scheint - rein summenmäßig - dieses Szenario nicht beängstigend, denn bei einem Mittelbedarf von knapp 713 Millionen Mark pro Jahr kamen lediglich 4,9 Prozent aus der Wirtschaft.

Eine besondere Form der Förderung durch die Wirtschaft sind die Stiftungsprofessuren. Hier engagieren sich Unternehmer oder private Stiftungen, indem sie für beispielsweise zehn Jahre eine Professorenstelle der Universität finanzieren. Einer Umfrage des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft zufolge sehen die meisten deutschen Hochschulen Stiftungsprofessuren ausdrücklich als ein geeignetes Instrument zur Nachwuchsförderung, zur Etablierung neuer interdisziplinärer Forschungsbereiche und damit als Beitrag zur Profilbildung. Die verständliche Sorge hinsichtlich einer Beschneidung der Freiheit von Forschung und Lehre bei "gestifteten Professuren" scheint damit unbegründet, konzentriert sich die Zusammenarbeit zwischen Lehrstuhlstiftern und "ihren" Professoren doch in der Regel auf gemeinsame Workshops, Weiterbildungsveranstaltungen für die Klientel des fördernden Unternehmens und Veranstaltungen zur Personalrekrutierung. Auftragsforschung oder gar die exklusive Verwertung von Forschungsergebnissen des Stiftungsprofessors durch den Förderer gibt es bisher in keinem einzigen Fall. An der Universität Heidelberg und den verbundenen Kliniken bestehen zur Zeit acht Stiftungsprofessuren, vor allem in den life sciences. Bisher ist aber nur eine der Stiftungsprofessuren in den Geisteswissenschaften angesiedelt.

Nicht nur Unternehmen unterstützen die Universität mit ihren "Pfunden". Jüngstes Beispiel für die Förderung der Universität durch Einzelpersonen ist der von Manfred Lautenschläger, Ehrensenator der Alma Mater, gestiftete und nach ihm benannte Forschungspreis der Universität Heidelberg. Die mit 500.000 DM dotierte Auszeichnung wird alle zwei Jahre für Leistungen der Spitzenforschung verliehen und soll dazu beitragen, erfolgversprechenden Ideen gerade auch junger Wissenschaftler zum Durchbruch zu verhelfen - ganz gleich aus welchen Fach- oder Themenbereichen sie kommen. Ein besonderer Akzent des Forschungspreises liegt dabei auf der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit. Damit schafft er einen zusätzlichen Anreiz, wissenschaftliche Kooperation in international zusammen gesetzten Teams weiter zu pflegen. Auf die Frage, was ihn zur Stiftung dieses Preises veranlasst habe, antwortet Manfred Lautenschläger: "In vielen Bereichen stößt der Staat an die Grenzen seiner Möglichkeiten. Da sehe ich eine quasi naturgegebene Lücke für privates Mäzenatentum".

Bei allen beidseitigen Annäherungsversuchen von Universität und Wirtschaft ist es auch Aufgabe der Politik, die Zukunft beider Partner mit zu gestalten. Der renommierte deutsche Bildungspolitiker Peter Glotz formuliert dabei die Aufgabe der Universitäten folgendermaßen: "Die Universitäten müssen eine Qualität in Bildung und Ausbildung bieten, die garantiert, dass bei uns Staatsbürger nachwachsen, die den Wert unserer marktwirtschaftlichen Gesellschaftsverfassung ermessen können und deshalb auch für ihn eintreten. Gut ausgebildete und gebildete junge Menschen sind für eine hochkomplexe nachindustrielle Wissensgesellschaft konstitutiv".

Wohin die Reise der Universität Heidelberg in diesem Kontext geht, hängt bestimmt auch von der Bereitschaft und Fähigkeit zum Dialog der jeweiligen Vertreter von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik ab. Das Gespräch ist im Gang: eine Grundvoraussetzung, um das Ziel der harmonischen "Öffentlich-Privaten-Partnerschaft" zu erreichen, in der die Bedürfnisse beider Seiten respektiert werden.

Carmen S. Freihaut

 


Nächster Artikel
Inhalt

 

 

Zurück

Top

 

Startseite | Wir über uns | Service | Veranstaltungen
Anmeldung | Login E-Mail | Alumni.med.Live
Kontakt | Suche | Überblick
Impressum | Datenschutzerklärung

 

Senden Sie Fragen oder Anregungen zu diesen Seiten an Philippe Bayer
Heidelberg, den 12. Februar 2003