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   ALUMNI REVUE - APRIL 2002
       

    
    
 

Heidelberger Splitter


Walpurgisnacht im Hexenkessel

Der Tanz in den Mai auf der Thingstätte: multikulturelles Spektakel

Einmal im Jahr ist der Heiligenberg bei Heidelberg Schauplatz einer außergewöhnlichen Feier. Die Walpurgisnacht, die Nacht vom 30. April auf den 1. Mai, orgiastischer Höhepunkt in Goethes "Faust", wird auf der "Thingstätte" von jungen Menschen aus aller Welt begeistert gefeiert. Ein außergewöhnliches Ereignis: Obwohl es keinen Veranstalter und keine offizielle Ankündigungen gibt, kommen hier Jahr für Jahr immer mehr Menschen aus der ganzen Welt friedlich zusammen. Letztes Jahr sollen es etwa 12 000 gewesen sein.

Wie es angefangen hat, weiß niemand mehr so genau. Angeblich sollen irgendwann Anfang der Neunziger Jahre einige junge Leute eine Party veranstaltet haben, um zu verhindern, dass Gruppen aus dem rechten Spektrum das Gelände für zwielichtige Veranstaltungen missbrauchen.

Die Thingstätte ist ein Bau mit nationalsozialistischer Vergangenheit. 1934 war Baubeginn dieses Amphitheaters, das als riesige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mitten in den Wald gesetzt wurde, in unmittelbarer Nachbarschaft zu historischen Ruinen der Kelten, der Römer und des Mittelalters. Es sollte Schauplatz für die Blut-und-Boden-Theaterstücke der von den Nazis geförderten "Thingbewegung" sein. Nach 1945 geriet das Bauwerk in Vergessenheit und liegt seither da wie ein versteinertes Ufo, das der Wald immer dichter einschließt. In den achtziger Jahren renovierte die Stadt Heidelberg die Thingstätte. Doch auch danach kam es nur vereinzelt zu offiziellen Veranstaltungen. Gründe mögen die Abgeschiedenheit und die Größe der Anlage sein. Das Wetter, dem das unüberdachte Freilichttheater ausgesetzt ist, sind ein Risiko für kommerzielle Massenveranstaltungen: 1999 fiel ein Konzert des Entertainers André Rieu schlicht ins Wasser.

So bleibt das Gelände, abgesehen von einigen Ausflüglern, die meiste Zeit des Jahres verwaist. Nur eben in der Nacht zum Ersten Mai nicht. Mit einsetzender Dunkelheit strömen junge Leute auf den Heiligenberg. Bühnenaufbauten und Würstchenbuden werden nicht benötigt.

Trommeln in der Nacht

Das Rund hallt wieder von den mitgebrachten Instrumenten, meist Trommeln. Akrobaten und Jongleure zeigen ihre Kunststücke, ohne Bezahlung, nur aus Freude an der Darbietung. Die Flammen aus den Mündern der Feuerspucker sind nach Einbruch der Dunkelheit die einzigen Lichtquellen, die die Szenerie für einen kurzen Moment sichtbar werden lassen: Offenes Feuer ist der Brandgefahr wegen verboten. Wenn die Menschenmassen für Sekunden im Feuerschein der Akrobaten sichtbar werden, erinnert das auch an die für die Nazi-Ideologie typische Gigantomanie. Doch dem steht das Besondere an der Maifeier auf dem Heiligenberg gegenüber: die bunte Vielfalt ihrer Teilnehmer, die fröhliche Atmosphäre und das Fehlen kommerziellen Denkens. Die Kulisse der Thingstätte wird dabei zu einem Ort der Begegnung.

Überhaupt nichts Romantisches kann Heiner Bernhard, Leiter des Amts für öffentliche Ordnung der Stadt Heidelberg, an der Maifeier auf der Thingstätte finden. "Die Thingstätte ist für eine Veranstaltung dieser Größenordnung nicht ausgelegt," stellt er fest. Wegen der großen Gefahr, der sich die Teilnehmer aussetzen würden, überlege die Stadt Heidelberg jedes Jahr, wie sie die spontane Feier unterbinden könne. Vor zwei Jahren hatte Oberbürgermeisterin Beate Weber wegen der Müllproblematik laut über ein Verbot nachgedacht, doch der Gedanke wurde fallengelassen: Einige Heidelberger Jugendliche hatten in einem offenen Brief angeboten, den Müll kostenlos zu beseitigen. Ein Verbot wäre vermutlich nur schwer durchzusetzen: "Wenn wir das Gelände einzäunen und alle Besucher weghalten würden, gingen die Leute woanders hin, wo wir im Notfall noch weniger für sie tun könnten," erklärt Bernhard die Zwickmühle, in der die Stadt steckt. Also versuche die Stadt, die Feier "sichernd zu begleiten", dieses Jahr beispielsweise, indem sie die Lagerung größerer Mengen Alkohol verhindern will. Zugleich verzichte man jedoch auf alles, was zum Ausdruck bringen würde, dass die Stadt für die Maifeier direkt zu verantworten sei. Daher sorge sie auch nicht für die Bereitstellung einer Infrastruktur.

Richard Leiner, Mitunterzeichner des offenen Briefes an die Oberbürgermeisterin, gehörte letztes Jahr zu den Leuten, die am Tag nach der Feier freiwillig den Müll beseitigten. Auch dieses Jahr möchte seine Gruppe, der "Indianerstadtverein", helfen. Dass das eigentliche Problem nicht der Müll sei, sondern die Masse der Feiernden, sieht er ähnlich wie die Stadt. Dennoch glaubt Leiner, dass der Tanz in den Mai auch in diesem Jahr seinen im Grunde friedlichen Charakter behalten wird. "Deshalb macht es keinen Sinn, die Feier zu verbieten."

Gabriel A. Neumann

 


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Heidelberg, den 12. Februar 2003