Heidelberger Splitter
Festival der Premieren
Das Internationale Filmfest Mannheim-Heidelberg und sein besonderer Charme
"Ist das noch unser Marstall?" Verwundert rieben sich viele Studierende Ende November die Augen. Im Hof, in dem sich im Sommer Studenten mit einem Sonnenbad von den Vorlesungen erholen, war nun ein riesiges Kino-Zelt aufgebaut. Und das Nichtraucher-Café mutierte zu einem großen Film-Foyer. Mitten im Herzen der Altstadt hatte das "52. Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg" eine seiner Spielstätten aufgebaut.
Das Heidelberger Studentenwerk ermöglichte durch die Vermietung des Cafés und der Marstall-Wiese eine besonders attraktive Spielstätte in zentraler Lage. Fast zwei Wochen lang erlebte die Neckarstadt "Kino zum Anfassen": Mehrmals täglich werden metergroße Filmrollen durch die Hauptstraße von einem Kino zum anderen transportiert, und lange Schlangen vor den Kinos zeigen das große Interesse des Publikums an Filmen jenseits des Mainstreams.
Seit 52 Jahren ist das Filmfestival in Mannheim zu Hause, Heidelberg ist seit einem Jahrzehnt mit dabei. Zu sehen sind nicht die millionenschweren Produktionen der großen Filmstudios, sondern neue Talente und ihre Filme aus der ganzen Welt in - was für deutsche Kinos ungewöhnlich ist - Originalsprache mit englischen Untertiteln. Große Regisseure wie Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders oder Lars von Trier haben hier lange vor ihrem internationalen Erfolg ein Forum für ihre frühen Werke gefunden. Traditionell erscheint deshalb ein großer Teil der Filme als Deutschland- oder sogar als internationale Premiere, deutsche Filme sind in der Minderheit.
2003 hatte die Festivalleitung unter Direktor Dr. Michael Koetz etwa 35 neue Filme ausgewählt. Sie kamen aus fernen Ländern wie Argentinien, China, Mexiko, Tschetschenien und Russ and. Es war aber auch neues Kino aus Nachbarländern wie Dänemark, Polen oder Frankreich vertreten. Viele Produzenten, Regisseure und Schauspieler waren bei der Vorstellung ihrer Filme selbst zugegen. Oft wurden deshalb die anschließenden Diskussionen mit dem Publikum zu einem Höhepunkt des Abends.
Von einer weiteren Bestimmung des Festivals bekam das Publikum dagegen wenig mit: Das Festival will ein Marktplatz des Filmhandels sein. Von den ausgezeichneten Filmen hatte nur die schwedische Liebeskomödie "Miffo" - sie erhielt den Spezialpreis der Jury - einen Verleih. Die anderen Filme, auch die weiteren Preisträger, wie der als bester internationaler Film ausgezeichnete koreanische "Plastic Tree", werden vielleicht nie in deutschen Kinos zu sehen sein, wenn sie keinen Verleih finden. So verhandelten und feilschten unbemerkt von der Öffentlichkeit Hunderte von Produzenten, Filmhändlern und Verleihern über Gezeigtes und Geplantes.
Bei so viel Internationalität und Renommee lässt sich die Welt großer Festivals erahnen. Zu diesen gehört Mannheim-Heidelberg zwar nicht. Doch gerade die familiäre Atmosphäre macht das Filmfestival im Rhein-Neckar-Raum zu einem besonderen Kinoerlebnis.
Gabriel A. Neumann
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