Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Heidelberger Splitter

Kultur für den Gaumen

Heidelberger Wein ist viel besungen, Wein aus Heidelberg aber selten zu finden. Wir haben uns auf die Suche gemacht - und dabei Menschen getroffen, die einen ganz besonderen Bezug zum Wein der Region haben.

 

"Stadt fröhlicher Gesellen, an Weisheit schwer und Wein...", so heißt es in dem Studentenlied "Alt-Heidelberg Du feine" von 1852. Wegen des warmen Klimas und den günstigen Hanglagen wurde in Heidelberg und an der Bergstraße seit dem Mittelalter Wein angebaut.

Auch heute zählt die Weinlandschaft "Badische Bergstraße" zwischen Weinheim, Heidelberg und Wiesloch zu den traditionsreichen Anbaugebieten im "Burgunderland" Baden - und zu den kleinsten in Deutschland: Auf nur etwa 400 Hektar Rebfläche gedeihen Trauben einer beachtlichen Sortenvielfalt. Neben den bekannten Burgundersorten gehören zu den am stärksten vertretenen Rebsorten Müller-Thurgau, Riesling und Silvaner.

Wein aus dem Heidelberger Stadtgebiet hat heute Seltenheitswert. In den sechziger Jahren verwilderten die traditionsreichen Lagen gegenüber des Heidelberger Schlosses. Die extreme Steillage über dem Philosophenweg und die begrenzte Größe der Wingerte machten den Rebenanbau schwierig - der hohe Arbeitsaufwand schien sich nicht mehr zu rechnen.

Seit 1998 gibt es nun wieder Weine aus Trauben, die mit Schlossblick reiften: Wein der Lage "Heidelberger Sonnenseite ob der Bruck" wird gleich von zwei Weingütern angeboten, dem Weingut Clauer und dem Weingut Adam Müller, das die meisten seiner Lagen im benachbarten Leimen hat. Die Winzerfamilie Müller hat ihren Hang seit 1995 von der Stadt Heidelberg gepachtet. "Das war damals ein einziges von Brombeerhecken verwuchertes Chaos", erinnert sich Nathalie Müller, die mit ihrem Mann den Weinberg wieder herstellte. Heute kann man ganz gemütlich zwischen den Rebstöcken auf kräftigem grünen Gras spazieren und durch die Weinblätter den Ausblick auf das Heidelberger Schloss und die Altstadt auf der anderen Seite des Neckars genießen. "Ob der Bruck bedeutet auf der anderen Seite der Brücke", erklärt Nathalie Müller: Der Name gehe auf die Zeit zurück, als auf der Neuenheimer Seite des Neckars nur Gärten und Weinberge angelegt wurden.

Der Weinberg der Müllers ist einen Hektar groß, 4 000 Stöcke verteilen sich über 70 Höhenmeter. Angebaut werden Riesling und der rote Spätburgunder. Dass die Wahl auf diese beiden Rebsorten fiel, sei kein Zufall gewesen, so die Winzerin: In einer Übersicht über die Weinberge der Region aus dem 19. Jahrhundert fanden die Müllers einen Hinweis auf den Anbau eben dieser Sorten. Diesen verglichen sie mit der Bodenbeschaffenheit ihres Hanges - und bemerkten, dass die Erde tatsächlich zum Tal hin günstiger für den Spätburgunder, hangaufwärts besser für den Rieslinganbau ist.

So romantisch der Blick über den sonnenbeschienenen Neckar von den Terrassen des Weinbergs auch ist, so mühevoll könne die Bewirtschaftung sein. Die Winzerin hat da ihre Erfahrungen: "Das ist der Weinberg, an dem wir nie Probleme haben, Erntehelfer zu finden. Aber wenn man im Januar bei zwei Grad unter dem Gefrierpunkt im Berg steht, muss man das lieben." Neben der Liebe bringt Nathalie Müller auch eine Menge Fachwissen in ihre Arbeit ein: Ihren Mann hat sie während ihres Weinbau-Studiums kennen gelernt, und wenn sie heute über die Weine der Winzerfamilie spricht, geht es auch um EU-Verordnungen, die Zusammensetzung der natürlichen Aromen im Wein, Schadschwellen und die Auswirkungen des Klimawandels auf den Weinbau.

Die Weine, die aus den Trauben der Lage "Ob der Bruck" gekeltert werden, zählen zu den edlen und natürlich etwas teureren Tropfen. Statt der auf der Fläche möglichen sechzig Hektoliter würden in einem durchschnittlichen Jahr nur 35 Hektoliter Trauben geerntet, betont Nathalie Müller - der Qualität des Weines zuliebe. Die etwa 4 000 Flaschen, die die Müllers daraus keltern, gehen zum größten Teil an die Heidelberger Gastronomie. Nur ein schmales Kontingent, so Nathalie Müller, werde auch für den Verkauf an privat reserviert.

Im Norden Heidelbergs, entlang der Badischen Bergstraße, liegen die Weinberge der Winzergenossenschaft Schriesheim. Harald Weiss, Geschäftsführer der Genossenschaft, koordiniert von einem kleinen Büro neben dem Weingeschäft der Genossenschaft im Ortskern Schriesheims die 300 Mitglieder - darunter etwa 200 aktive Winzer. Mit 130 Hektar gehöre die Genossenschaft zu den relativ kleinen, so Weiss - was ihr aber auch einen besonderen Charakter gebe: "Wir haben hier ganz, ganz viel Nebenerwerbs- und Hobbywinzer", erläutert Weiss, manche der 1440 Parzellen seien gerade einmal 200 Quadratmeter klein. "Da steckt eine Menge Herzblut in jeder Traube", erzählt Weiss, und eine gehörige Portion Stolz schwingt in seiner Stimme mit. Dreimal in Folge, so erzählt er, habe die "WG", wie er die Winzergenossenschaft gerne abkürzt, den Ehrenpreis der Badischen Gebietsweinprämierung für den Bereich Bergstraße gewinnen können. Dass die Güte der Trauben bei so vielen verschiedenen Winzern immer hoch bleibe, werde bei der Genossenschaft durch einen Ausschuss kontrolliert, der die Trauben begutachtet - und auf gute oder schlechte Qualität mit Zuschlägen und Abzügen reagiere.

Unter das Stichwort "Qualitätsoffensive 2007", erklärt Weiss, falle auch die "Rebflurneuordnung", die die Schriesheimer Winzer in diesem Jahr begonnen haben. Das Wortungetüm umschreibt ein ehrgeiziges Programm zur Flurbereinigung in den Schriesheimer Weinbergen. Insgesamt 17 Hektar Weinberge werden die Schriesheimer Winzer umgestalten. In der sogenannten "Teilnehmergemeinschaft" aus 85 Eigentümern sind auch viele Angehörige er "WG". Als wir hinauf auf den Weinberg mit Blick auf die Schriesheimer Strahlenburg fahren, öffnet sich der Blick auf eine Mondlandschaft, umgeben von grünen Hängen: Die neuen Rebstöcke sind gerade erst gesetzt und nur wenige Handbreit hoch, und der Bewuchs der Querterrassen, die auf etwas über eineinhalb Hektar "geschoben" worden sind, ist noch sehr zart. Die langen Terrassen waren vorher lauter einzelne Parzellen, und natürlich habe die Flurbereinigung auch Gegner gehabt, erzählt Harald Weiss, beispielsweise wenn ein Eigentümer einen wohlgepflegten Weinberg aufgeben musste.

Doch für den Geschäftsführer zählen die Vorteile der aus seiner Sicht längst überfälligen Maßnahme: "Wenn man Jahr für Jahr beobachtet, dass immer mehr Weinberge brach liegen, die Wege kaputt gehen und Brombeeren alles überwuchern, gibt es irgendwann einmal keinen Wein mehr." Ein Drittel der Flächen sichern als ökologische Ausgleichsflächen die Artenvielfalt im Weinberg, und auch für das Auge sorgen die grün wuchernden Ecken aus Sträuchern und Büschen für willkommene Abwechslung. Der wichtigste Effekt der Flurbereinigung ist für Harald Weiss aber der Erhalt der Kulturlandschaft, die ganz direkt mit dem Weinanbau zusammenhänge. Weinberge bedeuteten viel mehr als nur Anbaufläche für Trauben, meint Weiss: Sowohl für Besucher der Region als auch für die Menschen, die an der Badischen Bergstraße leben, sei die Gegend vom Wein und der damit verbundenen Lebensart nicht zu trennen. Auf dem Rückweg vom Weinberg kommen wir dann an einem Denkmal eines Sängerbundes vorbei. Hier wird sicher noch oft "Alt Heidelberg Du feine" angestimmt werden.

 

Gabriel A. Neumann

 

zum Seitenanfang
Fragen oder Anregungen zu diesen Seiten: Philippe Bayer
Stand: 14. August 2007
Services
Nr. 18 / Sommer 2007
Titelseite Alumni Revue Sommer 2007
Weiterlesen