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   ALUMNI REVUE - SOMMER 2006
       

    
    
 

Alumni Spotlight


Deutsch als zweite Heimat

Professorin Liu Fangben, Beijing

2006 ist nicht nur für Heidelberg Alumni International ein Jubeljahr: Während die Nachkontaktinitiative ihr zehnjähriges Bestehen feiert, freut sich Liu Fangben aus China auf ein Doppeljubiläum. Ende des Jahres wird die Professorin für Germanistik, mehrfache Großmutter und Autorin ihren 70. Geburtstag begehen – und blickt zugleich auf 50 Jahre Beschäftigung mit der deutschen Sprache zurück. Dabei stand der Beginn ihres Studiums unter einem ungünstigen Stern, denn er fiel in eine Phase der politischen wie wirtschaftlichen Abkapselung ihres Landes. „Es war eine relativ lange Zeit, in der Germanistikstudierende nicht Deutsch lesen, Maschinenbau-Studierende nicht Bücher über die Mechanik studieren durften. Alle mussten eben politische Dogmen auswendig pauken und jeden Tag ‚Es lebe…’ wiederholen“, erinnert sich die Professorin heute an ihre ersten Semester.

Die Neugier auf die deutsche Kultur, so Liu, weckte schon ihr Vater, der als Chemiker und Prorektor der Universität Shandong in den dreißiger Jahren selbst in Bayern gewesen war. Als Studentin wurde Liu wie ihr Vater als „Bourgeoisie-Akademikerautorität“ verfemt. Die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Epochen der deutschsprachigen Literatur bedeutete für sie Erleichterung: „Wir Germanistik-Studierenden fanden in dem Kontakt zu Theodor Storm, Gerhart Hauptmann, Georg Büchner und anderen Zuflucht aus der Realität“, erzählt Liu, und diese befreiende Wirkung der Germanistik wollte sie auch an andere weitergeben: „Die deutsche Sprache ähnelt einem Garten mit farbenprächtigen Blumen. Es muss Gärtner geben, die emsig umgraben, gießen, mähen und pflegen, dass er blühe und gedeihe.“ Die Gärtner der Germanistik seien dabei die Auslandsgermanisten – Liu Fangben wollte als junge Deutschdozentin ihren Schülern die Basis für den Bau eines prächtigen Gartens schaffen, also eine perfekte Grundausbildung in deutschen Sprachkenntnissen bieten.

Voraussetzung für Liu war, Deutschland aus eigener Anschauung kennen zu lernen. 1978 ging dieser Traum in Erfüllung: Sie gehörte der ersten vom Goethe-Institut finanzierten chinesischen Deutschlehrer-Gruppe an, die die Freiheit hatte, nach Deutschland zu reisen. Mehr als zehn Besuche in Deutschland sollten bis heute folgen. Die Kurse, die sie in Deutschland besuchte, seien für ihre Weiterbildung wichtig gewesen, meint Liu, noch bedeutender allerdings waren die Alltagsbegegnungen: „Ich ging mit Verkäufern, Hausfrauen, Arbeitslosen, Straßenbettlern, Studenten wie auch Universitätsprofessoren um. Ich sprach Deutsch, schrieb Deutsch, stritt mich mit Deutschen, ja träumte auf Deutsch“, erinnert sich die Professorin. So entstand ihr erstes Buch, das „Deutsch-chinesische Konversationsbuch“. Seitdem erschienen noch viele weitere Veröffentlichungen von Liu Fangben aus dem Bereich „Deutsch als Fremdsprache“, sowohl in Deutschland als auch in der Volksrepublik China. Ein besonderes Werk ist für Professorin Liu die „Modalpartikel-Forschung“ – und hier fand auch ihre Begegnung mit Heidelberg statt.

Als Stipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung kam Liu Fangben 1984 in die Stadt am Neckar. „Haben Sie denn nicht doch eigentlich wohl ja wirklich die Flickwörter gemeint, liebe Kollegin Liu?“, schmunzelte ein deutscher Kollege nach Erscheinen des Werks. Mit ihrem Projekt wollte sie den chinesischen Germanistik-Studierenden die Modalpartikel näher bringen, denn mit ihnen werden Nuancen und Emotionen ausgedrückt.

Über ein Jahr lang forschte Liu Fangben in Heidelberg – unter der Anleitung von Prof. Oskar Reichmann. Von diesem Jahr sind ihr viele schöne Erinnerungen geblieben: „Abends, wenn die Universitätsbibliothek schloss, ging ich den steilen Schlossweg hinauf Richtung Uni-Gästehaus zu meiner Wohnung zurück. Unterwegs bewunderte ich die nächtliche, traumhaft schönen Beleuchtungen am Schloss und nicht zuletzt die romantische Altstadtbrücke – das war entspannend und hob fast immer meine Laune wieder an“, denkt Liu zurück.

Trotz ihrer Emeritierung vor sieben Jahren möchte sich Professorin Liu weiter als „interkulturelle Multiplikatorin zwischen China und Deutschland“ engagieren, wie sie sich selbst beschreibt – und dabei jeder Seite die jeweils andere näher bringen. Dazu gehört auch ihr Interesse für die Entwicklung der Stellung der Frau in China – so erschien dazu ein Beitrag von ihr in dem Sammelband „Frauen zwischen Eigen- und Fremdkultur“.

Doch noch wichtiger ist ihr, dass sie in einer glücklichen Familie lebt – und ihren beiden Enkelkindern durch ihr Engagement ein Vorbild sein kann. Liu Fangbens Garten blüht.

Gabriel A. Neumann

 


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Heidelberg, den 5. September 2006