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   ALUMNI REVUE - SEPTEMBER 1999
       

    
    
 

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Gesundheit!

Medizin in Universität und ärztlicher Praxis

Wenn man in Deutschland so richtig herzhaft niesen muss, kann man sich darauf gefasst machen: "Gesundheit!", schallt es einem entgegen. Ein Wunsch, den zu erfüllen sich täglich viele Menschen mit Energie und Ausdauer bemühen - die in medizinischen Berufen Tätigen in aller Welt. Die Krankheitsbilder, aber auch die Methoden der Gesundheitsvorsorge haben sich seit dem Mittelalter dramatisch geändert - Antibiotika statt Aderlass heißt hier oft die Devise. Eine wichtige Rolle im Berufsalltag nimmt heute auch an der Universität der Betriebsarzt ein; als Mittler zwischen den Interessen und zum Wohle der Beschäftigten. Die Studierenden hingegen erwartet mehr Praxisorientierung in der medizinischen Ausbildung, die theoretisch-wissenschaftliche Kenntnisse mit intensiven praktischen Übungen verbindet. Und die Universität sorgt mit umfassenden Wissensbanken für ärztliche Weiterbildung auch nach dem Studium - mit einem weltweiten Programm über das Internet.

Im Wandel der Zeiten: Gesundheit im Mittelalter

Engstirnigkeit statt Weltläufigkeit bestimmte die Anfänge der Medizinischen Fakultät in Heidelberg: Sie durfte zwar Bücherwissen vermitteln, aber keine praktischen Übungen durchführen. Der Vatikan hatte 1215 eine Trennung von Medizin und Chirurgie verfügt. "Unter dem Leitspruch 'ecclesia abhorret a sanguine' verbot die Kirche die chirurgische Ausbildung der Mönche", erklärt Wolfgang U. Eckart, Ordinarius für Geschichte der Medizin. "In Deutschland blieb der Chirurgie so der Zutritt zur Institution Universität verwehrt", weiß der Medizinhistoriker. "So entstanden neue Heilberufe: der Chirurgus für die schwerwiegenden Eingriffe etwa, oder der Bader für Kleinchirurgie und Aderlass." Erst im Jahre 1558 wurde die Heidelberger Medizinische Fakultät durch eine Statutenreform vom bloßen Buchwissen befreit. Bestimmendes Krankheitskonzept des Mittelalters war die sogenannte Humoralpathologie Galens: die Theorie von den vier Körpersäften. Darauf basierten auch Diagnostik und Therapie wie Aderlass oder Schröpfen. Religiöse und astrologische Aspekte übten starken Einuss auf die Therapie aus, was die zahlreichen sogenannten "Aderlass-Männchen" belegen.

Der Mensch des Mittelalters achtete auf sein gesundheitliches Wohlbefinden. "Gesundheit war-trotz aller Jenseitsbezogenheit auch für den mittelalterlichen Menschen ein gottgeschenktes Gut von hohem Wert", so Wolfgang U. Eckart.

Doch die Gefahren bis weit ins 19. Jahrhundert hinein waren vielfältig: Pest, Pocken und Lepra, Ruhr und Tuberkulose rafften unzählige Menschen dahin. Die Dominanz dieser Infektionskrankheiten verlor sich erst gegen 1900. "Seitdem gibt es eine Veränderung hin zu degenerativen Erscheinungen, zu den Zivilisationskrankheiten" erzählt der Medizinhistoriker. Gemeinsam mit seinem Kollegen Axel Bauer schreibt er derzeit an der "Geschichte der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg vom 14. bis 20. Jahrhundert". Das Projekt, das nächstes Jahr abgeschlossen wird, umfasst die detaillierte Neudarstellung der mehr als 600-jährigen Heidelberger Fakultätsgeschichte. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den letzten 150 Jahren mit ihren vielschichtigen wissenschaftlichen und strukturellen Veränderungen.

Heidelberger Medizin: bei bester Gesundheit

Eine geradezu revolutionäre Veränderung für den akademischen Lehrbetrieb vollzog sich um die Jahrhundertwende: Erstmals wurden 1899 in Deutschland Frauen zum Medizinstudium zugelassen. Am 9. Mai 1900 wurde mit Rahel Goitein die erste Medizinstudentin immatrikuliert. Die erste Heidelberger Promotion einer Studentin folgte 1906, und 1910 war der Frauenanteil bereits auf zehn Prozent angestiegen. Heute, am Ende des Jahrhunderts, ist die Hälfte der rund 4.500 Heidelberger Medizinstudierenden weiblich. Und die Medizinische Fakultät präsentiert sich "bei bester Gesundheit", mit einer umfassenden medizinischen Versorgung und einem hohen Forschungsvolumen. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das: rund sechzig Millionen Mark Drittmittel, ein Landeszuschuss von knapp 300 Millionen Mark und immerhin die Hälfte der Sonderforschungsbereiche (SFB) der Universität. Ebenfalls imposant sind die Neubauvorhaben, mit denen die universitäre Medizin den Umzug von Bergheim ins Neuenheimer Feld vollendet. Sie schaffen eine neue Grundlage für die Zukunft der Heidelberger Medizin.

Mehr Praxis für angehende Ärzte: Studienreform Klinische Medizin

Für das nächste Jahrhundert plant die Medizinische Fakultät eine Studienreform, die die Ausbildungsstruktur angehender Ärzte grundlegend verändern wird - mit der Einführung eines "modularen, themenzentrierten Kursprogramms im klinischen Studium". Beginn: im Oktober 2001. Medizinstudenten müssen jedoch keine Odyssee durch die Kliniken befürchten, ganz im Gegenteil: "Die Behandlung zusammengehörender Themen steht im Zentrum der Reform", so Studiendekan Prof. Horst Seher. "Das heißt zum Beispiel, dass der Bereich Gastroenterologie/Visceralchirurgie im zweiten Klinischen Jahr in einem vierwöchigen Intensiv-Block unterrichtet wird, anstatt wie bisher über die Semester verteilt." Der Physiologe ist Vorsitzender der Studienkommission, die jetzt das Kursprogramm für das Klinische Studium zusammengestellt hat. Weitere Neuerungen: Die Große Vorlesung wird stark eingeschränkt, dafür findet verstärkt Unterricht in Kleingruppen zwischen dreißig und maximal sechzig Studierenden statt. Nach jedem Kursmodul wird der Lernerfolg überprüft. "Wir möchten mit der Reform den klinisch-praktischen Unterricht intensivieren", betont Horst Seller. Ein weiteres Ziel: der Anschluss an internationale Studienstrukturen, um zum Beispiel ausländischen Studierenden den Wechsel nach Heidelberg zu erleichtern. Im neu strukturierten klinischen Studium sollen auch neue Unterrichtstechniken erprobt werden - ein Abkommen mit Harvard sorgt für regen Austausch moderner didaktischer Methoden. "Das dritte Ziel liegt in der zeitlichen Trennung von klinisch-praktischer und wissenschaftlicher Arbeit", führt der Studiendekan aus. "Mit der Studienreform möchten wir den Studierenden mehr Zeit zur Vorbereitung auf die Staatsexamina, aber vor allem für ihre Dissertation geben." Der Grund: Aufgrund des wissenschaftlichen Niveaus promovieren in Heidelberg neunzig Prozent der Medizinstudenten, dreißig Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt.

Die Stärkung des praktischen Unterrichts wird deshalb auch nicht zu Lasten des wissenschaftlichtheoretischen Wissens gehen. Hier wird die Universität Heidelberg auch in der Einschätzung von außen ihren Platz behaupten. "Bei Auslandsfamulaturen bekommen unsere Studierenden immer wieder bescheinigt: Ihre theoretischen Kenntnisse können ohne weiteres mit dem Wissen von Studierenden der besten US-amerikanischen Universitäten konkurrieren", berichtet Horst Seller.

Die Studiendauer wird durch die Studienreform jedoch nicht berührt. Das wäre wegen der Approbationsordnung ohnehin nicht möglich. Und außerdem dauert hier wie überall in der Europäischen Union das Medizinstudium sechs Jahre - soviel Zeit sollte zum Nutzen der Patienten und ihrer Gesundheit sein.

Für alle Fälle Zeit: der betriebsärztliche Dienst

Für alle Fälle Zeit hat der betriebsärztliche Dienst, der seit dreizehn Jahren an der Universität existiert - eine kleine, aber eminent wichtige Einrichtung mit Sitz in der Schneidmühlstraße und im Gebäude der ehemaligen Augenklinik. Wo einst der philippinische Nationalheld Jose Rizal Medizin studierte, kümmert sich heute ein Team von fünf Ärzten und Beratern um die insgesamt 13.500 Mitarbeiter der Universität und der Kliniken. "Ursprünglich war das als reine Nebentätigkeit innerhalb meiner Arbeit geplant", erinnert sich Dr. Lutz Buchholz, seit der Gründung des Dienstes Leiter der Einrichtung. Die Idee kam vom damaligen Klinikumschef Prof. Gotthard Schettler. "Aber man merkte schnell, dass es besser ist, den betriebsärztlichen Dienst aus dem Klinikumsbetrieb auszugliedern", berichtet Lutz Buchholz. Diese Unabhängigkeit hilft den Betriebsärzten bei ihren vielfältigen Aufgaben. Dazu zählen zum Beispiel die Einstellungsuntersuchungen, die vor allem in Gefahrenbereichen wichtig sind. Im Zentrum steht jedoch die Beratung in allen Fragen, die für die Gesundheit der Mitarbeiter von Bedeutung sind. Dazu muss der Betriebsarzt die Strukturen der Universität und ihrer Institutionen sehr genau kennen und zugleich dem Patienten das Gefühl einer neutralen Instanz vermitteln können.

Berater, Vermittler und Seismograph

"Bei einer Beratung nehmen wir uns für jeden Mitarbeiter eine volle Stunde Zeit", versichert Lutz Buchholz. "Wir versuchen, die Probleme durch die Beratung schnell zu lösen." Für die Langzeitbetreuung sind dann die niedergelassenen Kollegen und Kliniken zuständig. "Hier versuchen wir, die oft fehlende Vernetzung zwischen Betrieb und den niedergelassenen Ärzten zu verbessern."

Bei vielen Patienten fließen gesundheitliche Störungen und psychische Probleme ineinander. "Von hundert Gesprächsprotokollen registrieren wir vierzig Prozent psychosomatische oder psychosoziale Probleme", berichtet Friederike Oexner. Die Soziologin mit psychotherapeutischer Zusatzausbildung arbeitet seit zehn Jahren beim betriebsärztlichen Dienst. Damit übernahm die Ruperto Carola eine Pilotfunktion für Baden-Württemberg: Heute bieten alle Hochschulen im Land Beratung im psychosozialen Bereich an. "Es gibt wenige, die sich eingestehen, dass das seelische Kostüm nicht passt", weiß Lutz Buchholz. "Sie schieben dann lieber die ,Arbeitskleidung' vor." Diese Leiden entstehen freilich oft auch durch Kommunikationsprobleme am Arbeitsplatz - Streit, Eifersucht oder fehlende gegenseitige Anerkennung spielen dabei keine geringe Rolle.

Noch häufiger als die psychischen Probleme sind orthopädische Beschwerden. Auf der Skala ganz oben stehen außerdem Herz-Kreislauferkrankungen und Suchtprobleme.

Das Arbeitsfeld des betriebsärztlichen Dienstes umfasst auch die Reintegration nach langwierigen Krankheiten. "Wir empfehlen dann in der Regel eine stufenweise Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess", erläutert Lutz Buchholz. Wenn der Betriebsarzt nach einer Weile erkennt, dass die Arbeitsbelastung zu hoch wird, kümmert er sich um die soziale Absicherung der Mitarbeiter.

Außerdem organisieren Lutz Buchholz und Friederike Oexner den "Arbeitskreis Gesundheit" der Universität, dem die unterschiedlichen Verantwortlichen aus Klinikum und Universität angehören. Das Gremium trifft sich einmal im Monat. "Seine Funktion ist die eines Seismographen im Universitäts- und Klinikbetrieb", erläutert Friederike Oexner.

Mit zunehmendem Arbeitsschutz ist die Arbeitsbelastung für die Betriebsärzte höher geworden. Doch Lutz Buchholz lässt sich dadurch nicht beirren. Im Gegenteil: "Wir haben uns als erster betriebsärztlicher Dienst einer Qualitätsprüfung unterzogen" -im Rahmen des baden-württembergischen Pilotprojekts "Qualitätssicherung in der Arbeitsmedizin". Und so spielt die Universität Heidelberg im Wettbewerb um mehr Qualität wieder einmal eine Vorreiterrolle: durch den ersten universitären Betriebsarzt mit Qualitätszertifikat.

Für den virtuellen "Zettelkasten": Das CBT-Labor der Chirurgie

Es liegt auf der anderen Neckarseite, fast so gut versteckt wie Dornröschens Schloss: irgendwo hinter dem Hauptgebäude der Chirurgischen Universitätsklinik, im zweiten Stockwerk eines alten Klinikgebäudes, das früher einmal als Schwesternhaus diente. Doch in den drei kleinen, mit Rechnern vollgestopften Räumen schlummert ein Potential, auf das die Universität getrost bauen kann. Die Rede ist vom Labor für Computer Based Training, kurz: CBT-Labor.

"Entstanden ist das Ganze aus der Idee eines Zettelkastens heraus", erzählt Oberarzt Priv.-Doz. Friedrich Kallinowski. Als er vor zehn Jahren ans Heidelberger Klinikum kam, versuchte er mit Hilfe der damaligen Computertechnik, seine eigenen Forschungsarbeiten zu katalogisieren. Sein Ziel damals: ein schnellerer Zugriff auf alle verfügbaren Daten, ungeachtet des Stichworts, nach dem sie abgelegt worden waren. Daraus entstand nach und nach ein computergestütztes Informationssystem zu medizinischen Fragestellungen - ideal geeignet als Basis sowohl für die Prüfungsvorbereitung von Medizinstudenten als auch zur Weiterbildung bereits praktizierender Mediziner. Auf Anregung von Klinikchef Prof. Christian Herfarth stellte der junge Chirurg Förderungsanträge bei der Ruperto Carola und erhielt prompt die ersten Projektgenehmigungen. Seitdem produziert das CBT-Labor mit geringen Budgets hochwertige CD-ROMS auch für andere Einrichtungen und kann auf eine höchst erfolgreiche Eigenproduktion von mittlerweile über fünfzig CD-ROMs verweisen. "Es gibt in Deutschland wohl keine Arbeitsgemeinschaft, die so lange kontinuierlich CD-ROMS mit medizinischen Inhalten produziert", weiß Dr. Arianeb Mehrabi. Der Mediziner aus dem Iran, der übrigens in Heidelberg studierte, arbeitet seit fünf Jahren im CBT-Labor und ist für die Koordination und die Organisation zuständig. Mit zum Kern des Teams zählt weiter der Informatiker Heiko Schwarzer, der die umfangreiche und komplexe Aufgabe des Programmierens bewältigt. Außerdem gehören der multikulturellen Truppe - außer dem Iraner Arianeb Mehrabi sind Mitarbeiter aus Indien, der Türkei, Kanada, Österreich und der Schweiz dabei - insgesamt 17 wissenschaftliche Hilfskräfte an: Studierende der Medizin und anderer Fachrichtungen

Daten für die Weiterbildung

Das CBT-Labor produziert CD-ROMS in drei verschiedenen Reihen: digitale Videos, digitale Symposien und die sogenannte teach ware. Darunter versteht man CD-ROMS, die neben der multimedialen Darstellung medizinischer Inhalte auch in einem Fragenkatalog das Wissen des Anwenders abfragen. Diese Datenträger sind besonders gut geeignet für Studierende, die sich intensiv auf eine Prüfung vorbereiten wollen - mit Videos von Operationen, animierten Schemadarstellungen und umfangreichen Sachregistern. Veröffentlicht werden die multimedialen Werke in der Reihe "Med.Live" in einem wissenschaftlichen Buchverlag. Gegenwärtig arbeitet das Team um Friedrich Kallinowski fieberhaft an einem völlig neuen Projekt, das den Alumni der Ruperto Carola über das Internet zugute kommen wird: "Alumni.med.Live" (Siehe Kasten S. 8). Unter der Koordination von Heidelberg Alumni International entsteht ein medizinisches Weiterbildungsprogramm für Absolventen deutscher Universitäten in aller Welt. Es könnte Modell für Programme in anderen Fächern sein. Das CBT-Labor entwickelt dafür ein Informationssystem, das mehr als 32.000 multimediale Bausteine umfasst.

"Unsere bisherige Arbeit bildet das Rückgrat für das neue System, das wir derzeit fit fürs Internet machen", berichtet Friedrich Kallinowski. Sein Ziel ist es, medizinisches Wissen für alle überall zugänglich zu machen. "Wir helfen dadurch", so der Oberarzt, "das lebenslange Lernen zu optimieren, das gerade bei Medizinern essentiell ist." Und davon profitieren in erste Linie die Patienten. Die Bewährungsprobe für Alumni.med.Live steht Anfang Oktober in Damaskus auf dem Programm - bei der ersten Alumni.med.Live-Konferenz für Mediziner aus den Ländern des Mittleren Ostens.

Peter Saueressig

 


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Heidelberg, den 14. Juli 2003