Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Startseite Heidelberg Alumni International Adresse und TelefonSucheÜberblick













    [Startseite] -> [Service] -> [Alumni Revue] -> [Inhalt März 2001] -> [Titel]
    
    
   ALUMNI REVUE - MÄRZ 2001
       

    
    
 

Titel


Ein Museum der eigenen Art

Die Prinzhorn-Sammlung der Universität Heidelberg

Die Universität Heidelberg besitzt einen einzigartigen Schatz. In der Zeit von 1919 bis 1921 wurde in der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg von dem Kunsthistoriker und Arzt Hans Prinzhorn eine Sammlung künstlerischer Arbeiten von Psychiatriepatienten zusammengetragen, die unter dem Namen "Prinzhorn-Sammlung" in die Geschichte eingegangen ist. Die Prinzhorn-Sammlung verkörpert dabei nicht nur ein Stück Heidelberger Universitäts- und Psychiatriegeschichte: Durch Prinzhorns berühmtes Buch "Bildnerei der Geisteskranken" von 1922 hat sie auch die europäische Avantgarde beeinflusst, Maler wie Alfred Kubin, Paul Klee und Max Ernst inspiriert.

Wie kam es zu dieser Sammlung? Professor Karl Wilmanns, der ab 1917 die Psychiatrische Klinik in Heidelberg leitete, betreute eine im eigenen Hause geführte "Lehrsammlung" von Patientenzeichnungen. Zur wissenschaftlichen Bearbeitung dieser Sammlung holte er 1919 Dr. med. phil. Hans Prinzhorn als Assistenten. Mit Briefen baten beide die großen psychiatrischen Anstalten des deutschsprachigen Raumes um Schenkungen ungewöhnlicher Werke, die "Ausdruck von innerem Erleben" sein sollten.

Als Prinzhorn 1921 Heidelberg verließ, hatte er mehr als 5000 Werke zusammengetragen. Das heterogene Îuvre von insgesamt 435 kreativen Patienten umfasst Zeichnungen und Aquarelle, Briefe, Notizen, Textentwürfe und Notationen, Bücher und Hefte, welche vielfach selbst gefertigt sind. Ferner gibt es Ölgemälde, textile Arbeiten, Collagen und Holzskulpturen. Die vielfältigen Motive, von den Patienten mit den einfachsten Mitteln angefertigt, zeigen beeindruckende Ergebnisse durch ihre hohe Kunstfertigkeit. Heute wird der abgeschlossene Bestand der Prinzhorn-Sammlung um Dauerleihgaben und Schenkungen ergänzt.

Zu einem Bestandteil der leidvollen deutschen NS-Geschichte wurde die Sammlung mit ihrer Teilnahme an der berüchtigten Ausstellungstournee "Entartete Kunst". Hierbei wurden Arbeiten der Patienten mittels polemischer Beischriften zum Vergleich mit der zeitgenössischen Kunst instrumentalisiert, um diese als Ausdruck "kranker" und "entarteter" Gesinnung zu diffamieren. Blieb die Prinzhorn-Sammlung in den Wirren der Nachkriegszeit zunächst unbeachtet, so wurde sie erstmals 1963 von Harald Szeemann wiederentdeckt und in Bern ausgestellt. In Heidelberg war sie erstmals 1967 in der Galerie Rothe zu sehen. Mit der Restaurierung und museologischen Erfassung des gefährdeten Fundus aus Mitteln der Stiftung Volkswagenwerk startete 1980 die erste umfangreiche Ausstellung zur Prinzhorn-Sammlung. Diese und sich anschließende Projekte hat Dr. Inge Jádi als Kustodin maßgeblich seit 1972 vorangebracht. Insbesondere in den 90er Jahren folgte ein Ausstellungserfolg dem anderen. Die große Ausstellung "Wahnsinnige Schönheit" von 1996 im Heidelberger Schloss hatte schon im Jahr zuvor in Charleroi, Belgien, Aufsehen erregt. Als weitere Stationen folgten Osnabrück, Lausanne und London. Das Drawing Center in New York entwickelte daraus das Projekt Traces upon the Wunderblock, das dort im Frühjahr 2000 begann, dann in Los Angeles gezeigt wurde und zurzeit im Museu d'Art Contemporani de Barcelona zu sehen ist. Dem Drawing Center New York wurde hierfür von der amerikanischen Sektion der Association International des Critiques d'Art der Jahrespreis verliehen. Doch künftig braucht niemand mehr weit zu reisen, um Werke der Sammlung zu sehen. Nach achtzig Jahren wird die Idee eines eigenen Museums endlich Wirklichkeit. Ab Herbst 2001 ist die Prinzhorn-Sammlung im eigenen Haus der Öffentlichkeit zugänglich. In psychiatrischen Anstalten geschaffen und in der Universitätsklinik Heidelberg zusammengetragen bezieht die Sammlung dort, wo sie entstanden ist, ihr neues Domizil: Wenige Schritte von der Psychiatrischen Klinik entfernt, mitten im Zentrum Heidelbergs.

Das Heidelberger Museum soll auch ein Forum der Begegnung mit Psychiatrie und Psychiatriealltag sein und helfen, Tabus zu überwinden und Berührungsängste abzubauen - denn immer wieder lässt sich feststellen, dass die starke Wirkung der Arbeiten ein breiteres Publikum anzieht, als es gemeinhin bei Kunstausstellungen üblich ist. Die schöpferischen Welten der Patientinnen und Patienten berühren und faszinieren zugleich und machen den Besuch zu einem künstlerischem Erlebnis der eigenen Art.

Monika Jagfeld

 


Nächster Artikel
Inhalt

 

 

Zurück

Top

 

Startseite | Wir über uns | Service | Veranstaltungen
Anmeldung | Login E-Mail | Alumni.med.Live
Kontakt | Suche | Überblick
Impressum | Datenschutzerklärung

 

Senden Sie Fragen oder Anregungen zu diesen Seiten an Philippe Bayer
Heidelberg, den 12. Februar 2003