Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Startseite Heidelberg Alumni International Adresse und TelefonSucheÜberblick













    [Startseite] -> [Service] -> [Alumni Revue] -> [Inhalt Februar 2004] -> [Titel]
    
    
   ALUMNI REVUE - FEBRUAR 2004
       

    
    
 

Titel


Alma Mater und Vater Staat

Ein besonderes Verhältnis

Bis heute leidet die Universität Heidelberg ein wenig darunter, dass es kein repräsentatives Bild von ihrem Gründer, dem pfälzischen Kurfürsten Ruprecht I., gibt. Immer wieder haben sich die Verantwortlichen daher in den letzten Jahren und Jahrzehnten auf die Suche nach einem Identität stiftenden Kunstwerk gemacht und über Alternativen nachgedacht. Vor kurzem haben sie endlich eine passende Lösung gefunden: Das großformatige Werk, auf das die Wahl fiel, ist eine Allegorie der Hochschule, es zeigt die "Ruperto Carola" als klassische Alma Mater in Form einer antiken Priesterin.

Entstanden ist das Gemälde im Jahr 1886 aus Anlass des damals 500-jährigen Bestehens der Ruprecht-Karls-Universität. Guido Schmitt, Spross einer bekannten Heidelberger Malerfamilie, der auch als Porträtist des englischen Hofadels berühmt wurde, hatte damals angeboten, das Universitätsgebäude für die großen Festlichkeiten - samt historischem Umzug mit 14 Festwagen und 930 kostümierten Darstellern - kostenlos mit zwei großflächigen Ölgemälden zu schmücken. Eines sollte die "Ruperto Carola" zeigen, als Sinnbild der Universität, das zweite eine "Heidelberga" - als Symbol der Stadt.

Dem Jubiläumsausschuss kam das Angebot des Künstlers durchaus gelegen. Die "Heidelberga" fand letztlich allerdings keine Gnade vor den kritischen Augen der Auswahlkommission; sie soll den Herren allzu viel Ähnlichkeit mit einer "stadtbekannten Schönheit" gehabt haben und gilt längst als verschollen. Die "Ruperto Carola" hingegen wurde den Erwartungen voll gerecht und schmückte bei den Jubiläumsfeierlichkeiten die Alte Universität.

Im Dezember 2003 kam sie als Leihgabe des Kurpfälzischen Museums wieder an den Ort ihrer Bestimmung zurück. Seitdem sitzt der Rektor, wenn er zu wichtigen Sitzungen oder Gesprächen in den Senatssaal der Alten Universität bittet, unter ihrem Bild.

Das Gemälde kam, man kann es nicht anders sagen, zur rechten Zeit. Denn selten wurde die Alma Mater, die "nährende Mutter", wie Studenten seit vielen Generationen ihre Universität gern liebevollscherzhaft nennen, so dringend gebraucht wie gerade jetzt: Wie überall wollen derzeit auch in Heidelberg immer mehr junge Leute studieren; noch nie hat es in Deutschland so viele Studenten gegeben wie in diesem Wintersemester - zugleich mussten die Universitäten auch noch nie so sehr sparen, wie zurzeit.

Vater Staat und Alma Mater sind aufgrund der insgesamt schlechten Finanzsituation der öffentlichen Hand unter Druck geraten und das bekommen, wie in einer richtigen Familie, jetzt auch die Kinder und andere Angehörigen mehr und mehr zu spüren. Von Bayern bis Berlin sollen Ausgaben ekürzt, Studiengänge eingestellt und Studienplätze abgebaut werden. Zugleich sollen die Hochschulen mehr Autonomie bekommen. Die hatte man ihnen in guten Zeiten nicht zugestehen wollen, jetzt, wo sie schlechter geworden sind, soll es mehr Eigenverantwortung geben.

Klar ist aber längst, dass die größere Autonomie nicht umsonst zu haben sein wird, sondern mit Kürzungen der Etats bezahlt werden soll. Die Frage ist allenfalls noch, wie hoch der Preis am Ende tatsächlich ausfällt. Schon jetzt klagen Professoren immer öfter, dass langfristige Mittel für die Grundausstattung von Forschung und Lehre, wie sie bisher selbstverständlich waren, inzwischen Jahr für Jahr mühsam neu erkämpft werden müssen oder Bauvorhaben, auch solche die lange geplant und fest zugesagt waren, verschoben oder sogar ganz abgesagt werden.

Edle Spender

Zweimal sind in Heidelberg und der Nachbaruniversität Mannheim im letzten Jahr Mäzene mit großen Summen eingesprungen, um wichtige Vorhaben zu retten: In Heidelberg hat die Stiftung des Gründers des Finanzdienstleisters MLP, Manfred Lautenschläger, der auch dem Universitätsrat angehört, knapp 14 Millionen Euro zugesagt, um den Bau einer neuen Universitätskinderklinik zu ermöglichen. In Mannheim hat die Förderstiftung des SAP-Gründers Hasso Plattner zehn Millionen Euro für eine dringend benötigte Erweiterung der Bibliothek bereitgestellt.

So willkommen derartige Spenden sind, so sind sie doch zugleich auch ein deutliches Zeichen dafür dass die traditionelle Beziehung von Alma Mater und Vater Staat erste Risse bekommen hat. Nach Jahrhunderten, in denen der Staat und die Universitäten wie selbstverständlich gemeinsam für die akademische Ausbildung junger Menschen verantwortlich waren, brauchten die Universitäten auf einmal neue Partner.

Als Kurfürst Ruprecht I. von der Pfalz vor über 600 Jahren die Heidelberger Hochschule errichtete, ging es ihm wie anderen Hochschulgründern damals und später nicht nur um Prestige und die wirtschaftlichen Belebung seiner Residenz, sondern ganz praktisch auch darum, qualifiziertes Personal für den Kirchendienst und die eigene Verwaltung auszubilden.

Die ersten Lehrer hat der Landesherr seinerzeit selbst besoldet, später waren Barzahlungen eher die Ausnahme. Stattdessen waren Lehrstühle an bestimmte Ämter und Pfründe gebunden, die Universität und ihre Angehörigen erhielten den Zehnten von Wein- und Kornernten benachbarter Dörfer wie Schriesheim und die Einnahmen von Klöstern sowie Zolleinnahmen entfernter Rheinstationen des Kurfürsten. All die Einnahmen konnten gelegentlich sehr hoch ausfallen, aber sie schwankten und boten der Hochschule nicht immer ein ausreichend stabiles Fundament.

Den ersten festen, eigenen Etat ihrer Geschichte erhielt die Universität vor gut 200 Jahren, als die Kurpfalz am Ende der Revolutionskriege mit Frankreich mit dem Frieden von Lunéville 1801 dem damaligen Kurfürstentum Baden angegliedert wurde. Dessen Landesherr, Karl Friedrich, zunächst Kurfürst, später Großherzog, gab der Universität die materiellen Grundlagen und die geistige Freiheit, die ihren Ruf bis heute begründen.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Hochschule etliche Höhe- und Tiefpunkte erlebt. Am Ende des 18. Jahrhunderts ging es ihr mehr als schlecht, ihr Ruf war allenfalls mittelmäßig. Jahrzehnte lang hatte in Heidelberg der Glaube der Dozenten mehr gezählt, als deren wissenschaftliche Leistung. Lehrstühle waren erblich geworden und wurden nicht selten vom Vater an den Sohn und von diesem an den Enkel weitergereicht. Es wurden Anwartschaften auf Professuren vergeben, die wirtschaftliche Lage der Hochschule war desolat. "Wie sollen die Lehrer ihre Vorlesungen mit Eifer und Mut besorgen, da sie, von Nahrungssorgen gequält, den Lehrstuhl besteigen … und Schulden auf Schulden häufen, die zu tilgen sie außerstande sind?" klagte die Universität 1799 ihrem Kurfürsten.

Der Verlust der linksrheinischen Gebiete im Gefolge des Krieges brachte die Hochschule vollends in eine Existenz bedrohende Krise. Denn die Einkünfte aus den Besitzungen westlich des Rheins waren ihre Haupteinnahmequellen gewesen. Beim Übergang der rechtsrheinischen Kurpfalz an das Land Baden sei die Universität "materiell bankrott und geistig völlig erstarrt" gewesen, sagte der Historiker Eike Wolgast, als die Universität im Mai letzten Jahres des historischen Datums ihrer "Wiedergeburt" gedachte.

Doch Landesherr Karl-Friedrich von Baden war offenbar fest entschlossen, dem trostlosen Zustand ein Ende zu bereiten.

In einer schwierigen Phase, in der - von Mainz über Köln bis nach Erfurt, Helmstedt und Wittenburg - viele namhafte Universitäten einem großen Hochschulsterben zum Opfer fielen, entschied er, dass Heidelberg bestehen bleiben sollte. Schon 1802 hatte er der Hochschule seine "Geneigtheit" zugesichert, sie wieder "in flor zu bringen". Wie jedes andere Kurfürstentum sollte auch Baden eine eigene Hochschule bekommen - die dem Ansehen des Landes ebenso dienen sollte wie der Ausbildung der eigenen Staatsdiener, die man nur ungern an fremde Hochschulen hätte schicken wollen.

Ein neuer Anfang

Mit dem 13. Organisationsedikt vom 13. Mai 1803 über "die gemeinen und wissenschaftlichen Anstalten, insbesondere die der Universität Heidelberg", stellte Karl Friedrich die Weichen für die Zukunft und sicherte die materielle Existenz der Hochschule. Heidelberg wurde zu einer "Landesuniversität", die sie - mit Ausnahme der Zeit des Nationalsozialismus, in der die Landesregierung aufgelöst und die Universitäten der Hitler-Regierung unterstellt wurden - bis heute geblieben ist.

Dankbar fügte man daher im Jahr 1803 dem Namen des Gründers Ruprecht den von Karl (-Friedrich) hinzu, dem die Universität ihre "Wiederbelebung" verdankte, wie Rektor Professor Peter Hommelhoff es bei der Jahresfeier im letzten Jahr formulierte.

Wie es sich gehört, wurde beim Neubeginn über Inhalte und Konzepte des künftigen Hochschulprogramms gestritten. Der zuständige Regierungsrat Friedrich Brauer setzte sich dabei für eine reine Unterrichtsanstalt ein, in der den Studenten "zweifelsfreie, allgemeine Lehrsätze" vermittelt und aus einem "soliden Lehrbuch" gelesen werden sollte. Die Universität wollte mehr und wehrte sich, unterstützt von Minister Sigismund von Reitzenstein mit Erfolg gegen diese Einengungen und die Beschneidung der Lehrfreiheit. Am Ende setzte sich der Minister durch und ebnete den Weg für Eigenverantwortung der Hochschule in Forschung und Lehre im Sinne eines modernen Neuhumanismus und eines "freien lebendigen Geistes ... ohne den nichts Edles geschieht."

Der Staatsmann, der der Universitäts- und Wissenschaftsidee Humboldts nahe stand, sei "von der Macht der Vernunft ebenso überzeugt gewesen wie von der Notwendigkeit einer Rückbesinnung auf die Antike und die dort verankerte harmonische Menschenbildung". Dementsprechend habe sich die Universität der allgemeinen Bildung und nicht in erster Linie einer speziellen Berufsausbildung verpflichtet, schrieb der Historiker Eike Wolgast zum Jahresfest des Edikts im letzten Jahr.

Mit dem Edikt, das den Fortbestand der Heidelberger Universität sicherte, übernahm der Landesherr zugleich als "Rector Magnificentissimus" das Rektorat der Ruperto Carola. Dies blieb so bis 1918 und zeigt, dass die "Ehe" von Vater Staat und Alma Mater von jeher fast eine Symbiose war. Die laufenden Geschäfte vor Ort führten der engere Senat und ein gewählter Prorektor, der formell vom Landesherrn bestätigt wurde.

Das liebe Geld

Zu den inhaltlichen Reformen kamen organisatorische Verbesserungen. Die Besoldung wurde neu geregelt und in Statuten festgelegt. Die Neuberufenen erhielten dabei in der Regel deutlich höhere Gehälter - die allerdings bis 1831 weiterhin zum Teil in Naturalien geliefert wurden. 1804 wurde erstmals eine Versorgung für Witwen und Waisen von Professoren eingeführt.

Aus Jena und anderen bedrohten Universitäten kamen bedeutende Wissenschaftler an den Neckar, unter ihnen prominente ältere und viel versprechende junge Professoren. Zu den ersten der Neuberufenen zählten der evangelische Theologe Friedrich Heinrich Christian Schwarz, der klassische Philologe Friedrich Creuzer, der Jurist Anton Friedrich Justus Thibaut, der Anatom Jacob Fidelis Ackermann, der Philosoph Jakob Friedrich Fries, der Mathematiker Carl Christian Langsdorf oder der Historiker Friedrich Wilken. Als prominentestes Aushängeschild gewann Karl Friedrich den HomerÜbersetzer und Dichter Johann Heinrich Voss.

Durch persönliche Verbindungen, gezieltes Werben und das sich festigende Ansehen Heidelbergs als geistig moderne und voranstrebende Universität, kamen in den folgenden Jahren etliche weitere bedeutende Gelehrte nach Heidelberg und legten die Basis für die Blüte und das Ansehen der Hochschule im 19. Jahrhundert.

1803, im ersten Jahr als badische Landesuniversität, erhielt Heidelberg einen Etat von 40 000 Gulden, schon ein Jahr später wurde er auf 50 000 erhöht und wuchs von da an laufend, bis auf 100 000 Gulden im Jahr 1850 - bei etwa 600 bis 800 Studenten.

Im Vergleich zu den heutigen Zahlen nehmen sich die damaligen fast winzig aus: Allein im letzten Jahr hat das Land Baden-Württemberg für alle seine Universitäten, Fachhochschulen, Wissenschaftlichen Forschungsinstitute, Archive und Bibliotheken etwa 2,6 Milliarden Euro aufgewandt. An die Universität Heidelberg und ihr Klinikum flossen davon etwa 535 Millionen Euro.

Über 60 000 Mitarbeiter sind als Angestellte des öffentlichen Dienstes oder Staatsbeamte an den Universitäten und Universitätskliniken des Landes beschäftigt. Alles in Allem stehen 5 900 Professoren auf den Gehaltslisten des Landes. Auch alle übrigen Mittel für die Hochschulen stellt der Staat bereit, der gesetzlich verpflichtet ist, für deren "ordnungsgemäßen Betrieb" zu sorgen. Den Rahmen dafür geben das bundesweit geltende Hochschulrahmengesetz und die Hochschulgesetze der Länder vor.

Der Staat legt nicht nur die Arbeitszeiten der Hochschulmitarbeiter fest, er spricht auch das letzte Wort bei der Berufung der von der Universität vorgeschlagenen Hochschullehrer, was zwar selten zu größeren Konflikten, oft aber zu langen Verzögerungen führt. Außerdem segnet er die Prüfungsvorschriften für die Studenten ab. Letzteres, so versichert man im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Stuttgart, der obersten Landesbehörde für alle Hochschulen Baden-Württembergs, geschehe im Interesse der Studierenden. Denn diese sollen überall in Deutschland vergleichbare Abschlüsse erwerben können, entsprechend dem Paragrafen 9 des Hochschulrahmengesetzes, in dem es heißt: "Die Länder tragen gemeinsam Sorge, dass die Gleichwertigkeit einander entsprechender Studien- und Prüfungsleistungen sowie Studienabschlüsse und die Möglichkeit des Hochschulwechsels gewährleistet werden."

Bis zur Durchführung der mündlichen Prüfungen, die "von mehreren Prüfern oder von einem Prüfer in Gegenwart eines Beisitzers abzunehmen sind …" (Paragraf 50, Abs. 5 des Hochschulrahmengesetzes), hat Vater Staat alles genau geregelt und - zum Beispiel - auch dafür gesorgt, dass Studenten mit Kindern bundeseinheitliche Regeln vorfinden, wenn sie wegen ihrer Elternschaft "Prüfungsleistungen oder Hochschulprüfungen nach Ablauf der in den Prüfungsordnung hierfür vorgesehenen Fristen ablegen" wollen.

Im Gegensatz zu derartigen Förmlichkeiten sollen die Studieninhalte grundsätzlich Sache der Universitäten sein. Der Staat habe, erklärt man im Wissenschaftsministerium “einzig die Aufgabe, die Spielregen festzuschreiben und zu überwachen.” Tatsächlich geht dessen Engagement in einigen Bereichen aber erheblich weiter, nämlich überall da, wo es um Berufe geht, deren Inhaber “eine öffentliche Aufgabe erfüllen”: Dies betrifft die Gesundheitsvorsorge ebenso wie die Rechtspflege oder die Lebensmittelüberwachung. Wer in Deutschland Arzt oder Apotheker, Richter, Staats- oder Rechtsanwalt, Grundschullehrer, Studienrat oder Lebensmittelchemiker werden möchte, muss daher am Ende seines Studiums nicht irgendein Examen sondern ein so genanntes “Staatsexamen” ablegen.

“Besonderes Interesse”

Dieses heißt nicht nur so - sondern hier gibt es tatsächliche staatliche Vorgaben für Prüfungsgebiete und -gegenstände. Und der Staat schickt auch eigene Mitarbeiter oder offizielle Vertreter in diese Prüfungen. So werden für Lehrer und Juristen die Prüfer von den jeweils für sie zuständigen Landesprüfungsämtern bestellt.

Der Hauptgrund dafür, dass man diese traditionell gewachsene Prüfungsart auch in Zeiten, in denen man längst auch in Deutschland Bachelor- und Masterabschlüsse eingeführt hat, noch immer nicht abgeschafft hat, liege, so heißt es amtlicherseits “im besonderen Interesse, das an der Qualifikation der Hochschulabsolventen in diesem Bereich besteht.”

Eine lange Tradition haben an den Universitäten auch die Studentenwerke, die für die soziale Betreuung der Studierenden zuständig sind. Das Heidelberger Studentenwerk betreibt Mensen, Wohnheime und Kinderkrippen, zu ihm gehört das Amt für Ausbildungsförderung und die psychotherapeutische Beratungsstelle für Studenten, seine Mitarbeiter helfen bei der Zimmersuche und bei der Vermittlung von Jobs.

Die Zahl der Studenten, die ihr Studium - zumindest teilweise - mit Hilfe der staatlichen Ausbildungsförderung, dem so genannten “BAföG”, bestreiten können, ist allerdings in den letzten Jahren immer kleiner geworden. Der Anteil der BAföG-Empfänger unter den Studenten ist dabei, wie allenthalben beklagt wird, auf deutlich unter zwanzig Prozent gesunken; die Förderbeträge im einzelnen sind so zusammengeschmolzen, dass die Unterstützung den Namen Ausbildungsförderung kaum mehr verdient - dies räumt man längst auch im Stuttgarter Wissenschaftsministerium ein.

Diese Entwicklung ist ein weiteres Beispiel dafür, dass das über Jahrzehnte hinweg gedeihliche Verhältnis von Vater Staat und Alma Mater brüchiger geworden ist. Verglichen mit heute, gesteht der frühere Heidelberger Rektor Gisbert zu Putlitz, unter dessen Amtsführung die Ruperto Carola 1986 ihr 600-jähriges Jubiläum feierte, “hatten wir damals goldene Zeiten - die Beamten, die im Ministerium für die Universitäten zuständig waren, hatten einen großen Verfügungsrahmen und sie waren auch bereit, zu helfen”, sagt der Emeritus. Allein zu ihrem Jubiläum hat die Universität Heidelberg das Zentrum für Molekulare Biologie (ZMBH), das Institut für Wissenschaftliches Rechnen (IWR), das Internationale Wissenschaftsforum (IWH) und ein großes Magazin für die Universitätsbibliothek bekommen.

Vergleichbares ist derzeit nicht in Sicht. Für das Jahr 2005 hat der baden-württembergische Wissenschaftsminister Peter Frankenberg ein neues Hochschulgesetz des Landes angekündigt. Mit ihm soll nicht nur die Zahl der Paragrafen von 457 auf 75 verringert und das Recht für die verschiedenen Hochschularten vereinheitlicht werden. Vor allem aber soll das neue Gesetz die Voraussetzungen für ein neues Dienstrecht mit leistungsbezogenen Gehältern für die Hochschullehrer und die international üblichen Bachelor- und Masterstudiengänge schaffen.

“Die Bedingungen in Wirtschaft und Gesellschaft haben sich geändert”, erklärte der Minister in einem Interview der Stuttgarter Zeitung zur Begründung. “Wir brauchen für die Masse der Studierenden kürzere, berufsbezogene Studiengänge”. Zugleich wolle man neue Haushaltsregeln einführen, bisherige Regelungen vereinfachen und den Hochschulen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben in Forschung und Lehre “deutlich mehr Eigenständigkeit geben.”

Zugleich allerdings bekräftigte Frankenberg, dass der Staat und das Ministerium auch weiterhin eine wichtige Rolle für die akademische Ausbildung spielen wollen. Man werde sich weniger als heute “um die Details des Studiums, der Lehre oder auch der Berufungen kümmern”, kündigte er an. Umso mehr werde man sich dafür bei der “strategischen Gesamtplanung des Hochschulsystems” engagieren. Dazu gehöre beispielsweise festzulegen “welche Fächer wir in welcher Größenordnung für die Belange der Gesellschaft brauchen und wie verschiedene Hochschulstandorte zusammenarbeiten sollen”. Eine weitere wichtige Aufgabe des Ministeriums werde es sein, mit den Hochschulen Verträge über die Definition künftiger Globalhaushalte abzuschließen.

Neues Geld für die Alma Mater werde es dann nur noch mit besonderen Zielvereinbarungen geben. Wenn sie neue Forschungseinrichtungen, neue Schwerpunkte, neue Studiengänge möchte, werde sie auch verbindlich sagen müssen, wie viele Absolventen oder Promotionen am Ende stehen sollen, kündigte der Minister an.

Vor allem die letzten Vorschläge kommen für viele Hochschullehrer überraschend und gehen einigen, auch in Heidelberg, zu weit. Offizielle Stellungnahmen zu dem Thema gibt es allerdings noch nicht, die Diskussionen über die Vorstellungen des Ministers haben eben erst begonnen.

Für den Heidelberger Rektor Professor Peter Hommelhoff ist unabhängig davon schon jetzt klar, dass die Hochschulen auch in Zukunft “soviel Autonomie wie möglich brauchen”. Je mehr Wettbewerb und Eigenverantwortung gefordert werde, desto wichtiger sei die Gestaltungsfreiheit der Universitäten. “Die Frage ist, was der Minister genau meint, wenn er eine stärkere strategische Planung für das Ministerium beansprucht - das zu klären wird eine ganz heiße Geschichte”, prophezeit der Jurist und derzeitige Kopf der Ruperto Carola.

Die Entscheidung, welche Studiengänge eine Universität anbietet, müsse in jedem Fall auch künftig bei den Hochschulen bleiben, “da sollte sich der Staat aus der Planung heraushalten”, fordert Hommelhoff. “Das System der Universitäten lässt sich nicht von oben lenken, die Initiativkraft liegt in den Hochschulen selbst. Wir haben hier über 450 Professoren, da ist jeder ein eigener kleiner Erfinder. Die unendlich vielen Impulse, die sie hervorbringen, lassen sich nur von unten moderieren”, sagt der Rektor.

Noch müsse man sich - gerade in Baden-Württemberg - aber keine Sorgen machen, dass sich Vater Staat und Alma Mater ernstlich auseinander leben und am Ende womöglich zu “Rabeneltern” des akademischen Nachwuchses entwickeln könnten. Einiges spreche allerdings dafür, dass die Distanz von Staat und Hochschulen in der Zukunft wachse. Wenn sich die öffentliche Hand weiter aus der Finanzierung der Universitäten zurückziehe, wenn die seit längerem diskutierten Studiengebühren eingeführt werden und es darum gehe, wie diese Mittel verteilt werden, “dann kommt die Stunde der Wahrheit”, meint Rektor Hommelhoff. “Da wird man sich dann schon ein bisschen auseinander leben.” Aber sind nicht Abstand und mehr Freiheit manchmal förderlich für frischen Wind in einer langen Beziehung?

Johanna Eberhard

 


Nächster Artikel
Inhalt

 

 

Zurück

Top

 

Startseite | Wir über uns | Service | Veranstaltungen
Anmeldung | Login E-Mail | Alumni.med.Live
Kontakt | Suche | Überblick
Impressum | Datenschutzerklärung

 

Senden Sie Fragen oder Anregungen zu diesen Seiten an Philippe Bayer
Heidelberg, den 12. Februar 2004