Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

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Blick zurück nach vorn: Die Tradition der Heidelberger Festspiele

 

Wenn von Festspielen in Heidelberg die Rede ist, lohnt ein Blick zurück in das frühe 20. Jahrhundert. Und zwar auf ein ehrgeiziges Projekt, das für hiesige Festivalmacher wie Thorsten Schmidt und Peter Spuhler interessant genug ist, um sich damit auch heute noch zu beschäftigen, wie beide sagen - und sei es nur, um aus früheren Fehlern zu lernen. Mitte der 1920er Jahre hatten einige engagierte Bürger vor Ort, darunter der Journalist Rudolf Karl Goldschmit, die Idee gehabt, hier am Neckar dem österreichischen Salzburg - schon damals ein Highlight der internationalen Festspiellandschaft - Konkurrenz zu machen. Angestrebt wurde ein Programm, das "aus dem Geiste dieser Stadt erwachsen müsse, nämlich aus der Romantik, wie der Salzburger Kulturgedanke aus dem Geiste des Barock entstanden war", ließen die Veranstalter mit ambitioniertem Ton verkünden. Zum Synonym der Festspiele zwischen 1926 und 1929 geriet der alljährlich im Schlosshof aufgeführte "Sommernachtstraum" von William Shakespeare, zu dessen Inszenierung der gerade noch unbekannte Ernst Krenek eigens eine Musik komponiert hatte, ehe er ein Jahr später mit seiner "Jazz-Oper" Jonny spielt auf international bekannt wurde. Vor der imposanten Renaissance-Fassade des Ottheinrichbaus brillierte unter der Regie von Festspielintendant Gustav Hartung Heinrich George in der Rolle des Oberon.

Existenzkampf und Scheitern

Die Veranstaltungen blieben allerdings ein unvollendetes Projekt. Zwar hatte man sich ein markantes Profil erarbeitet, war im überregionalen Feuilleton stets präsent, hatte die besten Schauspieler und Dirigenten der damaligen Zeit sowie hochkarätige Festredner (darunter die drei Nobelpreisträger Gustav Stresemann, Gerhart Hauptmann und Thomas Mann) verpflichten können. Allein mit den wirtschaftlichen Belangen war man überfordert. Die Festspiele scheiterten 1930 mit hohen Schulden schon nach vier Spielzeiten. Der unprofessionelle Umgang mit dem Thema Geld war wohl der Kardinalfehler, wobei man fairerweise sagen muss, dass das Ende dieser Veranstaltung mit der Weltwirtschaftskrise zusammenfiel, in der viele Theater um ihre Existenz kämpften.

Einen guten Ruf hatten sich die Heidelberger Festspiele dennoch erworben, der weit über die Stadtgrenzen hinausreichte. Um diesen Ruf für ihre Propaganda zu missbrauchen, griffen vier Jahre später die Nationalsozialisten auf die Idee sommerlichen Theaterspiels auf dem Schloss zurück. Die Schirmherrschaft übernahm der ehemalige Heidelberg-Student Joseph Goebbels, der inzwischen zum Propagandaminister aufgestiegen war. Fast noch mehr Künstler-Prominenz ließ sich auf dem Schlossberg blicken, darunter auch spätere Fernseh- und Theaterstars wie Gustav Knuth und Will Quadflieg. Die große personelle Konstante mit Blick auf die zwanziger Jahre war Heinrich George, der diesmal vor allem in der Rolle des Götz von Berlichingen (unter eigener Regie) bewundert werden konnte. Noch stärker als zuvor avancierte George zum Publikumsliebling: "Wenn er mit seinem weiten, hellen Mantel und dem großen Panamahut durch die schmalen Straßen fährt, gibt es Zurufe und Händeschütteln! »D'r Schorsche ischt doa, d'Festspiel kennat a'fange!«", berichtet Georges Frau Berta Drews in ihrer Biographie. Die "Reichsfestspiele", so der offizielle Titel, standen unter dem unseligen Stern der Nazi-Propaganda. Doch glaubt man unabhängigen Beobachtern, besaßen die Aufführungen aber dennoch ein hohes künstlerisches Niveau. Für ein Ende dieser Veranstaltungsreihe sorgte der Zweite Weltkrieg. Ausgerechnet eine Aufführung des "Sommernachtstraums" im August 1939, mit dem die ersten Heidelberger Festspiele 13 Jahre zuvor begonnen hatten, blieb die letzte Darbietung auf dem Schloss. Nach 1945 wurden dort zwar vereinzelt Theaterstücke aufgeführt. Eine regelmäßig stattfindende Veranstaltungsreihe aber gibt es erst seit 1974 wieder.

Wetterfühlige Intendanz

Für die zeichnet inzwischen Peter Spuhler verantwortlich, Intendant des hiesigen Stadttheaters seit der Spielzeit 2005/2006. Wie er erzählt, hat er seine ersten Schlossfestspiele im vergangenen Sommer sehr genossen und diese über dreißigjährige Veranstaltung durch neue und originelle Programmpunkte erweitert. Mit Blick auf die Festspiele der 1920er Jahre würde er schon ganz gerne das eigene Ensemble für dieses Programm erweitern, vielleicht sogar um den einen oder anderen Star. Doch das Geld dafür müsste von Sponsoren kommen. Lediglich das Bangen um gutes Wetter zerrt Spuhler, wie er freimütig bekennt, bei solchen Freilichtspielen ein bisschen an den Nerven: "Ich bin gerne riskant im Hinblick auf künstlerische Dinge, aber nicht in Bezug auf den Wettergott!"

Dieses Problem wiederum hat Thorsten Schmidt vom "Heidelberger Frühling" nicht, da die Konzerte ausschließlich in Innenräumen stattfinden. In puncto Konzept steht sein Festival vielleicht noch stärker in der Tradition der alten Schlossfestspiele - auch beim "Frühling" geht es darum, prominente Künstler von außen nach Heidelberg zu holen, auch hier ist - als Kehrseite - das finanzielle Risiko größer. Für Schmidt dienen die Festspiele aus den 1920er Jahren vor allem auch als Untermauerung seiner These, dass "Heidelberg die ideale Festspielstadt dieser Region" sei. Um diesen Titel noch selbstbewusster zu tragen, ist seiner Meinung nach aber noch mehr Engagement vonnöten - allein im Bereich Marketing. Beim Thema Festspielstadt sei auch der neue Oberbürgermeister Eckart Würzner gefragt. Auf die Entwicklung in den nächsten Jahren ist Thorsten Schmidt daher sehr gespannt. Das darf man sein - im Übrigen auch darauf, wie sich Heidelberg dann innerhalb der angestrebten Festivalregion Rhein-Neckar profilieren soll. Da gibt es sicherlich auch Reibungsflächen.

 

Oliver Fink

 

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Fragen oder Anregungen zu diesen Seiten: Philippe Bayer
Stand: 14. August 2007
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