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   ALUMNI REVUE - DEZEMBER 1997
       

    
    
 

Titel


Kommunikation

Schlüssel für die vernetzte Welt

Als in den fünfziger Jahren das Schlagwort vom "globalen Dorf" die Runde machte, ahnte niemand, wie schnell daraus eine Selbstverständlichkeit werden würde. Die technische Entwicklung vollzog sich so rasant, daß heutzutage wissenschaftliche Erkenntnisse und Forschungsergebnisse in kürzester Zeit der kompletten Fachwelt bekannt sind oder daß Ingenieure in Australien und in Kanada zeitgleich und miteinander vernetzt an der Entwicklung von industriellen Produkten arbeiten können, ohne sich je begegnet zu sein - mit Hilfe von computergestützten Informationsnetzen, die sich rund um den Globus spannen. Die Technik überwindet die räumliche Distanz. Doch auch der Computer kann letztlich nur Basis oder nützlicher Helfer sein, mit dessen Unterstützung sich der moderne Mensch die mehr und mehr vernetzte Welt erschließt. Den Schlüssel dafür hält er immer noch selbst in der Hand - die Fähigkeit, manchmal auch die Unfähigkeit, sich mit anderen Menschen auszutauschen, mit ihnen zu kommunizieren.

Ein Siegeszug in Rekordzeit

"Mein Server steht in Bristol. Dort liegt jetzt unser neues Alumni-Forum", erzählt Philippe Bayer, der bei Heidelberg Alumni International den Internet-Service betreut. Der 24jährige lebte für sechs Monate als Jura-Austauschstudent in der englischen Hafenstadt. So "nebenbei" gestaltete er für das European Office der dortigen Universität die WebSite und brütete über dem WWW-Angebot von Heidelberg Alumni International (siehe Artikel S. 7). Philippe ist mit der technischen Vernetzung der Welt aufgewachsen. Er war noch gar nicht geboren, da startete im Jahr 1969 in den USA das ARPAnet, die Keimzelle des Internet. Als er gerade in den Kindergarten kam, schickte die britische Queen bereits ihr erstes E-Mail über den Atlantik. Mit neun Jahren hätte er theoretisch stolzer Besitzer eines der ersten IBM-PCs werden können - sie kamen 1982 mit 64 Kilobyte Hauptspeicher (!) auf den Markt. Als er fürs Abitur büffelte, entwickelten Computerspezialisten am CERN in Genf das World Wide Web (WWW). Am 17. Mai 1991 schlug dann die offizielle Geburtsstunde der "Datenautobahn". Kein anderes Medium hat seither in so kurzer Zeit einen solchen Siegeszug angetreten. Auch deutsche Firmen wie SAP, deren Mitgründer Klaus Tschira übrigens Ehrensenator der Ruperto Carola ist, konnten davon profitieren. Die größte Verbreitung findet das Internet aber nach wie vor dort, wo es auch entstanden ist: an den Hochschulen.

"Meister des Netzes"

Die schier unerschöpflichen Möglichkeiten der Kommunikation zu organisieren und zu optimieren ist Aufgabe der "Meister" des Netzes, der Webmaster. Auch Philippe Bayer gehört als Alumni-Webmaster zu diesem Kreis. Oberster Webmaster in Heidelberg ist das Universitätsrechenzentrum (URZ). "Wir verwalten derzeit 3500 Accounts für Mitarbeiter und 13000 für Studierende" berichtet URZ-Direktor Dr. Peter Sandner. Neben den zentralen Arbeitsplätzen im URZ und in der Universitätsbibliothek (UB) stehen an den Instituten der Universität insgesamt fast 400 Internet-Arbeitsplätze für Studierende, sogenannte cip-Pools, zur Verfügung. Das URZ bietet ferner EDV-Kurse für alle Studierenden an. Geplant ist zudem die Ausbildung von studentischen Hilfskräften zu EDV-Spezialisten an ihren jeweiligen Instituten. Dafür soll es künftig ein Zertifikat geben. Auch die Universitätsbibliothek (UB) hilft mit Kursen durch den Dschungel im Netz. Wer sich indes schon auskennt, kann die Dienste der UB von zu Hause aus in Anspruch nehmen - PC und Modem vorausgesetzt.

"Montagskonferenz": die eloquente Probe für den Ernstfall

Ganz ohne PC wird unweit von der UB, in einem Institutsgebäude in der Plöck, kommuniziert: Die französische Referentin, Vertreterin einer Menschenrechtsorganisation, nähert sich dem Mikrofon. Zehn junge Menschen hinter der Glaswand, Kopfhörer über den Ohren, beobachten jede ihrer Regungen, im fast übervollen Saal herrscht eine gespannte, erwartungsvolle Stimmung - die "Montagskonferenz" im Institut für Übersetzen und Dolmetschen (IÜD) kann beginnen. Woche für Woche proben hier angehende Dolmetscherinnen und Dolmetscher den "Ernstfall". Sie übersetzen den Vortrag eines Referenten, der in mehreren Abschnitten gehalten wird, simultan in sechs verschiedene Sprachen: Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Russisch, Portugiesisch. Am IÜD wird als siebte Sprache noch Niederländisch unterrichtet. Nach jedem Abschnitt tritt dann ein Studierender aus dem Plenum ans Saalmikrofon und übersetzt die gesamte Passage in eine andere Sprache - konsekutiv nennt sich diese Form des Dolmetschens. "Konsekutiv dolmetscht man dann, wenn keine Technik vorhanden ist und es sich um ein zahlenmäßig kleines Publikum handelt" erklärt Manfred Müller-Richter, der gemeinsam mit seiner Kollegin Elaine Griffiths die heutige Montagskonferenz organisiert hat. Eine konsekutive Verdolmetschung kann ohne Notizen bis zu zwölf Minuten dauern. In den multinationalen Gremien der Europäischen Gemeinschaft wäre das ein undenkbarer Vorgang. Dort wird zumeist simultan gedolmetscht. "Ein großer aktiver Wortschatz, blitzschnelles Umsetzen und hohe sprachliche Kompetenz sind dafür nötig", so Elaine Griffiths.

Von Störungen und Kulturtransfers

Bei diesen Anforderungen schleichen sich manchmal auch Fehler ein. Sie bewirken dann mitunter fatale Folgen: So übersetzte bei einer EU-Sitzung ein deutscher Dolmetscher die Wendung "something is rotten here" mit "etwas ist faul im Staate Dänemark" - wohl um seine Literaturkenntnisse unter Beweis zu stellen. Die dänische Delegation, die der deutschen Verdolmetschung zuhören mußte, protestierte laut. "Der Sitzungspräsident mußte sein ganzes diplomatisches Geschick aufwenden, um die Gemüter zu beruhigen", erzählt die Dolmetscherin Dr. Sylvia Kalina, die sich mit solchen Kommunikationsstörungen beschäftigt hat.

Auch die Übersetzer, zuständig für die schriftliche Kommunikation zwischen den Sprachen, kennen solche Störungen. Zum Beispiel führen regelmäßig fehlerhafte Übersetzungen von Bedienungsanleitungen zu immensen Schäden in der Möbelindustrie.

Doch Veränderungen bei der Übersetzung müssen nicht immer schaden - besonders nicht in der Literatur. "Eine Übersetzung ist oft gerade erst wegen der Veränderungen interessant", stellt Norbert Greiner fest. Der Professor für Übersetzungswissenschaft am IÜD zeigte anhand der Dramen William Shakespeares, wie sich ein Text auf dem Weg zwischen zwei Kulturen wandelt. Aus der Übersetzung kann man beispielsweise ablesen, wie unterschiedlich die deutsche und die englische Lachkultur im 18. Jahrhundert waren. Die vielfältigen Formen der shakespeareschen Komik stellten die Übersetzer vor große Schwierigkeiten. Sie versuchten diese Probleme dadurch zu lösen, daß sie derb-komische Passagen ausließen oder in Fußnoten kommentierten. Und doch: Shakespeare ist heute der mit Abstand meistgespielte Autor auf deutschen Bühnen. "Die Beispiele legen Zeugnis ab von der dynamischen Beziehung zwischen Kulturen und den Möglichkeiten interkultureller Kommunikation", zieht Norbert Greiner Bilanz.

Zwischen "Gabel und Bytes": Mittler zwischen den Kulturen

Interkulturelle Kommunikation im digitalen Zeitalter läuft zumeist auf höchstem technischen Niveau ab. Doch ironischerweise beginnen damit erst die Kommunikationsprobleme. "Früher gab es noch die 'heilende Wirkung' der Distanz. Doch heute haben wir auf der einen Seite Vielsprachigkeit und auf der anderen Seite technologisch unterstützte Globalisierung, mit über 3000 Sprachen, die jedem jederzeit zugänglich sind", erklärt der Sprachwissen-schaftler und EDV-Beauftragte des IÜD, Prof. Joachim Kornelius. "Im Spannungsfeld zwischen Babel und Bytes zeigen sich die interkulturellen Kommunikationsdefizite erst recht in schonungsloser Offenheit." Deshalb ist für die Studierenden am IÜD neben der sprachlichen auch eine intensive kulturelle Schulung Pflicht. Als Mittler zwischen den Kulturen können Übersetzer und Dolmetscher die interkulturellen Kommunikationslücken schließen. Kornelius baut hier auch auf den Ausländeranteil: "Je mehr Ausländer bei uns sind, desto gesprächsfähiger ist man zwischen den Kulturen." Allein in der englischen Abteilung studieren sechzig ausländische Kommilitonen. Die vielen "akademische Reisenden", als Stipendiaten des DAAD oder der Humboldt-Stiftung, tragen ebenfalls mit dazu bei, interkulturelle Wissenslücken zu füllen. Doch auch der virtuelle Austausch funktioniert. Sehr engagiert auf dem Feld der Kommunikation per Datenübertragung ist auch das Institut für Deutsch als Fremdsprachenphilologie (IDF), das zu diesen Zwecken über ein rechnergestütztes Videokonferenzsystem verfügt. Gemeinsam mit IDF-Direktor Prof. Friedrich Strack initiierten Kornelius und sein Assistent Frank Austermühl in diesem Semester drei Video-Konferenzen mit der deutschen Abteilung des Monterey Institute of International Studies in Kalifornien (MIIS). Das MIIS ist eine von nur zwei US-Universitäten, die Übersetzen und Dolmetschen als Masters-Studiengang anbieten. Zwischen Neckar und Pazifik hörten 25 Personen zunächst zwei Vorlesungen und diskutierten dann gemeinsam die Themen. "Die räumliche Distanz war überhaupt kein Problem", freut sich Joachim Kornelius, und Frank Austermühl, der den Kontakt zu Monterey hergestellt hatte, ergänzt: "Auch von der technischen Seite her hat alles geklappt."

Geplant: Die Universität im Internet

Dem kann Prof. Heinz Horner nur zustimmen. "Die Technik ist das geringste Problem bei solchen Veranstaltungen." Der Physiker ist seit Oktober nicht nur einer der drei neuen Prorektoren, sondern zugleich auch Rektoratsbeauftragter für EDV und Bibliothek. Als oberster Wächter der Kommunikation der Universität Heidelberg versucht er, die verschiedenen Aktivitäten zu bündeln. Außerdem koordiniert er die Beiträge für ein Projekt, das die Ruperto Carola zur Zeit gemeinsam mit den anderen badischen Universitäten Mannheim, Freiburg und Karlsruhe ausarbeitet: die Internationale Tele-Universität (ITU). Sie ging aus einem Ideenwettbewerb hervor, den das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie ausschrieb. Das badische Gemeinschaftsprojekt erreichte unter 250 Vorschlägen als eines von fünfzehn Vorhaben das erste Etappenziel. Im nächsten Sommer werden dann endgültig fünf Projekte ausgewählt, für die das Ministerium fünfzig Millionen Mark bereitstellt. "Dann könnte es losgehen", meint Heinz Horner. Ziel der ITU ist es, in baldiger Zukunft Studiengänge für Studierende außerhalb Deutschlands via Internet anzubieten, mit Englisch als Unterrichtssprache. Verlage und Kommunikationsindustrie sind sehr interessiert an diesem Projekt und wollen sich mit ihrem Know-how aktiv daran beteiligen. Warum Englisch als Unterrichtssprache? "Zumindest in den Naturwissenschaften ist es seit langem die lingua franca", so Prorektor Horner. "Allerdings höre ich von Vertretern international operierender Firmen immer wieder, daß sie von ihren Mitarbeitern Deutschkenntnisse und die Vertrautheit mit der deutschen Kultur wünschen." Deshalb ist bei der ITU auch daran gedacht, daß die Studierenden einen Teil ihrer Studienzeit doch direkt an den "Gründeruniversitäten" absolvieren.

Mehr Lehre auf der Datenautobahn

Heinz Horner hält viel vom Medium Internet als Medium für Lehrveranstaltungen: Sowohl das TeleTeaching-Projekt zwischen Heidelberg und Mannheim als auch die Videokonferenzen mit Monterey finden sein Wohlwollen. "Seit rund zwei Jahren übertragen wir in der Theoretischen Physik Einzelvorträge international bekannter Dozenten über das Internet. Die Fachwelt bekommt dadurch die Möglichkeit, nicht nur später das Manuskript zu lesen, sondern dem Wissenschaftler direkt zuzuhören."

Auch ein Angebot für Alumni kann sich der Prorektor gut vorstellen: Weiterbildungsveranstaltungen zum Beispiel oder auch Internet-Übertragungen von Studium Generale-Vorträgen. "Der technische Aufwand wäre gar nicht so groß", blickt er optimistisch in die Zukunft. Interkulturelle Kommunikationslücken und -tücken sind hier indes nicht zu befürchten: Denn für viele Heidelberger Alumni ist ihre Alma mater längst zur zweiten Heimat geworden.

Peter Saueressig

 


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Heidelberg, den 14. Juli 2003